Online-Befragung:
Cannabisgebrauch und Repression
 

Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 21. Juni 2004 

In Deutschland ermöglicht das Betäubungsmittelgesetz ein Absehen von Strafe bei geringfügigen konsumbezogenen Drogendelikten. Hierbei haben die Bundesländer aufgrund eines Beschusses des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1994 die Pflicht für eine einheitliche Einstellungspraxis bei diesen Delikten zu sorgen. Trotz dieser Pflicht gibt es in den verschiedenen Bundesländern immer noch starke Unterschiede bei der Festlegung der sogenannten geringen Menge Cannabis, die ausschlaggebend für die Einstellung eines Verfahrens ist, wie auch bei der Einstellungspraxis im allgemeinen. Der Sozialwissenschaftler Kurt H. G. Groll aus Düsseldorf will nun die Auswirkungen des unterschiedlichen Vorgehens in den Bundesländern näher untersuchen und mittels einer Online-Umfrage erfassen, auf welche Weise in verschiedenen Teilen Deutschlands mit dem Cannabiskonsum respektive mit den Cannabiskonsumenten umgegangen wird. Die Umfrage dient unter anderem dazu, die Unterschiede in verschiedenen Regionen bezüglich des Repressionsklimas auf verschiedenen Ebenen aufzuzeigen. Jeder, der selbst jemals Cannabis konsumiert hat, heute noch Cannabis konsumiert, in der Bundesrepublik Deutschland lebt und den Fragebogen nicht bereits als Papierversion ausgefüllt hat, kann helfen, die Datenbasis zu vergrößern, indem er sich an dieser Online-Umfrage beteiligt.
http://www.cannabisumfrage.de


Druckerfreundliche Version (PDF-Format, 29 KB, 7 Seiten):

http://www.eve-rave.net/presse/presse04-06-21.pdf
 

Absehen von Strafe bei geringfügigen konsumbezogenen Delikten

Mit der am 16. September 1992 in Kraft getretenen Vorschrift des § 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Absehens von der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaften ohne gerichtliche Zustimmung bei geringfügigen Drogendelikten wesentlich erweitert. Das Ziel des Gesetzgebers war in erster Linie, eine Entlastung der Strafverfolgungsorgane zu erreichen, gleichzeitig sollte aber auch in kriminalpolitischer Hinsicht mit dieser Vorschrift im Rahmen der Grundsätze des Verfahrensrechtes der Verzicht auf strafrechtliche Sanktionen bei geringfügigen Drogendelikten bezweckt werden. Zudem war damit die Erwartung verknüpft, daß gemäß dem Grundsatz Hilfe vor Strafe und unter Verzicht auf strafrechtliche Sanktionen, möglichst viele Drogenkonsumenten für Maßnahmen im Rahmen der Angebote von Drogenberatungen und gegebenenfalls der Drogentherapie zu gewinnen wären.Keine zwei Jahre später, am 9. März 1994, war die Vorschrift des § 31a BtMG Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Dabei wurde die Verfassungsmäßigkeit der betäubungsmittelrechtlichen Strafvorschriften (§ 29 BtMG) in Bezug auf die Strafbarkeit von Cannabis-Delikten zwar grundsätzlich bestätigt, gleichzeitig aber festgestellt, daß nach dem Übermaßverbot unter bestimmten Voraussetzungen von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten abgesehen werden muß. Außerdem wurde eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz und dem Verfassungsgebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet angemahnt. [BVerfGE 90, 145 – Cannabis – Cannabis-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994. Im Jahre 1994 mußte das Bundesverfassungsgericht aufgrund verschiedener Vorlagebeschlüsse über die Verfassungsmäßigkeit des Cannabis-Verbots entscheiden. Vollversion des Beschlusses und der Begründung. Format: PDF, Größe: 154 KB, 41 Seiten]:
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download/eve-rave/mzdr103.pdf

Online-Version mit Zitaten-Verlinkung:
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv090145.html


Pflicht zu einer einheitlichen Einstellungspraxis

Das Bundesverfassungsgericht verpflichtet die Bundesländer in seinem Beschluß vom 9. März 1994 für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen. Im Absatz 169 des Beschusses  heißt es wörtlich:

"Die Vorschrift des § 31a BtMG gestattet der Staatsanwaltschaft in weitem Umfang, Ermittlungsverfahren ohne Mitwirkung des Gerichts einzustellen; sie eröffnet damit zugleich die Möglichkeit, die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften durch Verwaltungsvorschriften zu steuern. Die Länder trifft hier die Pflicht, für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen, zumal es sich um das den Einzelnen besonders belastende Gebiet der Strafverfolgung handelt. Ein im wesentlichen einheitlicher Vollzug wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die Behörden in den Ländern durch allgemeine Weisungen die Verfolgung bestimmter Verhaltensweisen nach abstrakt-generellen Merkmalen wesentlich unterschiedlich vorschrieben oder unterbänden."

Da der Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes bereits nach weniger als 18 Monaten nach dem Inkrafttreten des § 31a BtMG gefällt wurde, könnte das Gericht noch keine dauerhaft unterschiedliche Handhabung der Vorschrift in den einzelnen Bundesländern feststellen, forderte jedoch den Gesetzgeber in Absatz 170 auf, wenn dies erforderlich ist, weitere gesetzliche Konkretisierungen der Einstellungsvoraussetzungen vorzunehmen:"Gesicherte Erkenntnisse zur Anwendung des § 31a BtMG, die auf eine dauerhaft unterschiedliche Handhabung auch dieser Vorschrift in den Ländern schließen ließen, liegen derzeit noch nicht vor. Der Gesetzgeber darf abwarten, ob der neugeschaffene, speziell auf Konsumentenvergehen im Betäubungsmittelrecht zugeschnittene Tatbestand des § 31a BtMG zu einer im wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung in diesem Rechtsbereich führt oder ob weitere gesetzliche Konkretisierungen der Einstellungsvoraussetzungen erforderlich sind."


Stark unterschiedliche Einstellungspraxis in den verschiedenen Bundesländern

Eine Studie zur Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit bei der Strafverfolgung von Drogenkonsumenten der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden e.V., die von Susanne Aulinger im Auftag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführt und 1997 publiziert wurde, hat sich mit der Problematik der Rechtsgleichheit in den verschiedenen Bundesländern befaßt und hierzu staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten aus dem Jahr 1995 – also ein Jahr nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes – ausgewertet. Ganz im Gegensatz zum Gebot des Bundesverfassungsgerichtes von 1994, der Gesetzgeber müsse sicherstellen, daß eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis gewährleistet sei, zeigten die Daten und Fakten in der Studie ganz erhebliche regionale Unterschiede auf. Beispielsweise nennt Susanne Aulinger auf Seite 171 (Tabelle 7) für die einzelnen Bundesländer jeweils die Zahl der Tatverdächtigen zu allgemeinen Verstößen nach § 29 BtMG sowie die jeweilige Zahl der Einstellungen nach § 31a Abs. 1 BtMG. Setzt man die aufgeführten Werte direkt zueinander in Relation, zeigt sich, daß im Jahr 1995 in Schleswig-Holstein die Einstellungsrate bei 92% lag, in Sachsen und Sachsen-Anhalt jedoch nur bei 10%. So stellt Susanne Aulinger auch unmißverständlich auf Seite 229 fest, daß die Analyse tatbezogener Einstellungskriterien teilweise gravierende Unterschiede bei der Handhabung des § 31a BtMG in den einzelnen Ländern offenbare. Dennoch vertritt Susanne Aulinger auf Seite 325 die Position, daß bei der gesetzlichen Regelung zu Cannabis kein Handlungsbedarf bestehe, da beim Umgang mit Cannabis hinsichtlich der Mengen, bei denen § 31a BtMG regelmäßig zur Anwendung komme, ein so hohes Maß an Übereinstimmung in der strafrechtlichen Praxis bestehe, daß von einer im wesentlichen einheitlichen Rechtsanwendung gesprochen werden könne.

Aufgrund der widersprüchlichen Bewertungen der Daten und Fakten wird nicht selten das Ergebnis der Studie so dargestellt, als würden in allen Bundesländern 80 bis 90% der Fälle, in denen es um bis zu sechs Gramm oder zehn Gramm Cannabis zum Eigenkonsum geht, eingestellt. Das entspricht nicht den Tatsachen und ist eine grobe Fehlinterpretation der Studie. Susanne Aulinger untersuchte primär die eingestellten Verfahren. Nicht eingestellte Verfahren, egal wie gering die jeweils zugrundeliegende Menge auch war, in denen es zu einem Gerichtsverfahren kam, wurden für diese Studie nicht näher ausgewertet. Eine Aussage, wie groß in den verschiedenen Bundesländern das Risiko für einen mit sechs Gramm oder zehn Gramm Cannabis ertappten Konsumenten ist, vor Gericht zu landen, läßt sich aufgrund der angeführten Zahlen überhaupt nicht treffen. Die Bandbreite von 10% bis 92% der Einstellungsraten läßt jedoch auf erhebliche Unterschiede der Rechtswirklichkeit in den einzelnen Bundesländern schließen.Weitere Einzelheiten zur ungleichen Rechtspraxis in den Bundesländern und zu den Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG wie auch zur Aulinger-Studie können den Darstellungen auf dem Internetportal "Cannabislegal – Argumente für eine realistische Drogenpolitik" unter der folgenden URL entnommen werden:
http://www.cannabislegal.de/politik/btmg31a.htm


Die unterschiedlichen "geringen Mengen"

Auf dem Internetportal www.drug-infopool.de , einem Projekt der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, findet man unter der URL
http://www.drug-infopool.de/verordnung.html
aktuelle Angaben zu den Verordnungen der einzelnen Bundesländer zur Mitführung geringer Mengen Cannabis bzw. dem Eigenbedarf von Cannabis. In Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen wurden keine mengenmäßige Festlegungen der geringen Menge vorgenommen, um den Eindruck in der Öffentlichkeit zu vermeiden, Besitz und Erwerb von bestimmten Mengen Cannabis seien staatlich toleriert. Auch in Mecklenburg-Vorpommern wird nach Einzelfallprüfung entschieden, ob das Verfahren eingestellt werden kann. Einstellungen erfolgten bisher lediglich in "wenigen besonders gelagerten Einzelfällen, in denen die Beschuldigten nicht mehr als fünf Gramm Haschisch in Besitz hatten".

In Bayern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurde eine Obergrenze der geringen Menge Cannabis festgelegt, bis zu der Verfahren von den Staatsanwaltschaften eingestellt werden können. In diesen drei Bundesländern kann bis zu einer Menge von sechs Gramm von den Staatsanwaltschaften das Verfahren eingestellt werden. In Hessen und Niedersachsen wurde eine Untergrenze festgelegt, bis zu der von der Strafverfolgung in der Regel abgesehen werden muß und eine Obergrenze, bis zu der von der Strafverfolgung abgesehen werden kann. In der Regel wird in diesen beiden Bundesländern bis zu sechs Gramm generell eingestellt, bei Gewichtsmengen von sechs Gramm bis 15 Gramm kann ein Absehen von Strafverfolgung erfolgen.

In vier Bundesländern wurde die Obergrenze, bei der Verfahren von den Staatsanwaltschaften eingestellt werden können, bei zehn Gramm Cannabis festgelegt, ohne jedoch eine Untergrenze festzulegen, bis zu der Verfahren eingestellt werden müssen. In Bremen wird im allgemeinen eine Menge von sechs bis acht Gramm, im Einzelfall bis zu zehn Gramm als gering angesehen. In Nordrhein-Westfalen sind zehn Gramm Haschisch und Marihuana bei einem Wirkstoffgehalt von 6% respektive fünf Gramm bei einem Wirkstoffgehalt von 12% noch eine geringe Menge, bei der üblicherweise eingestellt wird. In Rheinland-Pfalz und im Saarland werden im allgemeinen bis zu zehn Gramm als geringe Menge gewertet.

In Berlin werden grundsätzlich bis zu 15 Gramm toleriert, das heißt, der Besitz bleibt ohne strafrechtliche Folgen. Es wird den Gerichten überlassen, den Besitz von bis zu 30 Gramm ebenfalls straffrei zu behandeln. In Hamburg ist nur soviel Haschisch, wie in eine Streichholzschachtel paßt, dies entspricht in etwa 20 Gramm, eine geringe Menge, bei der generell das Verfahren eingestellt wird. In Schleswig Holstein sieht die Staatsanwaltschaft in der Regel Cannabisprodukte (außer Haschischöl) von nicht mehr als 30 Gramm (Bruttogewicht) als geringe Menge an.

Trotz der offensichtlichen ungleichen Rechtspraxis bezüglich der geringen Menge Cannabis in den einzelnen Bundesländern beschlossen die Justizminister der Länder auf ihrer Jahreskonferenz im November 2002, mit einer Angleichung der Regelungen zur straffreien Verfahrenseinstellung bei geringen Mengen von Cannabis zu warten. Die Mehrzahl der Minister sah keinen akuten Handlungsbedarf und wollte eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für internationales Strafrecht in Freiburg abwarten, die gerade ein Monat zuvor im Oktober des Jahres 2002 angelaufen war um aktuelle Daten zur aktuellen Rechtspraxis in Deutschland zu ermitteln.

Anders als die Justizminister der Länder sah das Amtsgericht Bernau Handlungsbedarf und setzte ein Verfahren aus und legte gemäß Artikel 100 Abs. l Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht die Sache zur Entscheidung vor. In dem Verfahren ging es um den Tatbestand, daß ein in Brandenburg wohnender Jugendlicher auf einem Parkplatz in der Leipziger Straße 126 in Berlin in seiner rechten Hosentasche eine Tüte mit einem Cannabis-Tabak-Gemisch von 1,5 Gramm brutto sowie einem Stück Cannabis mit einem Nettogewicht von 3,6 Gramm mit sich führte. Nach den Richtlinien des Bundeslandes Berlin – seinerzeit zwingende Einstellung bis 6 sechs Gramm – wäre es nicht zum Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls oder aber zu einem gerichtlichen Strafverfahren gekommen. Vielmehr wäre das Verfahren eingestellt worden. Da aber der zum Tatzeitpunkt heranwachsende Angeklagte in vorliegender Sache seinen Wohnsitz im Bundesland Brandenburg hatte, wurde er auf Grund der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Brandenburg, mit einem Strafverfahren überzogen. Dies erfolgte, weil die bei dem Beschuldigten gefundenen Betäubungsmittel weit oberhalb der Grenze von drei Konsumeinheiten lagen, bis zu der im Land Brandenburg seinerzeit noch von einer geringen Menge im Sinne des §31 a BtMG ausgegangen wurde.Maßgeblich aufgrund dieser offensichtlichen ungleichen Rechtsanwendung in Berlin und Brandenburg wurde nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach Aussetzung des Verfahrens erteilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) plötzlich die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 31a Abs. 2 BtMG. Die zuständige Staatsanwaltschaft begründete ihre nunmehr erfolgte Zustimmung damit, daß die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg nunmehr die Richtlinie für die Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften im Betäubungsmittelgesetz verbindlich konkretisiert habe. So sei ab sofort von einer geringen Menge an Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch im Sinne des § 31a BtMG bis zu einer Menge von sechs Gramm verbindlich auszugehen. Die Zuständige Generalstaatsanwaltschaft wollte vermutlich mit diesem Schachzug eine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Sache verhindern, was jedoch auf Grund der Ablehnung einer Einstellung des Verfahrens seitens des Beschuldigten nicht gelang. Seit zwei Jahren liegt nun der Vorlagebeschluß des Amtsgerichtes Bernau dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. [Vorlagebeschluß des Amtsgerichtes Bernau vom März 2002, Aktenzeichen: 3 Cs 224 Js 36463/01 (387/01). Das Amtsgericht Bernau hält alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu l Abs. l BtMG mit der Folge aufführen, daß der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, für verfassungswidrig. Vollversion des Beschlusses mit Begründung. Format: PDF, Größe: 374 KB, 76 Seiten]:
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download/eve-rave/mzdr105.pdf


Studien zum Drogenkonsum und zur Strafverfolgungspraxis in Deutschland

Ziel der vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg derzeit durchgeführten Studie Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis ist eine empirische Untersuchung der (repressiven) Behandlung konsumbezogener Drogendelikte durch die Strafverfolgungsbehörden und der sich daran anschließenden (präventiven) Maßnahmen durch die Ordnungsbehörden. Das Projekt wird im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung durchgeführt.
http://www.iuscrim.mpg.de/forsch/krim/schaefer.html

Die Frage einer möglichst einheitlichen Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften und somit die Frage nach einer im Wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung bei eigenkonsumbezogenen Drogenverfahren steht im Zentrum dieser Forschungsstudie. Eine gleichmäßige Rechtsanwendung erscheint vor allem deshalb zweifelhaft, weil es auch zehn Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht zu einer formellen Einigung der Bundesländer über eine einheitliche Handhabung der staatsanwaltlichen Einstellungspraxis im Bereich von § 31a BtMG gekommen ist und daher jedes Land die Anwendung mit eigenen Empfehlungen bzw. Richtlinien an die Staatsanwaltschaften regelt, die weiterhin in entscheidenden Punkten – wie etwa bei der Bestimmung des Kriteriums geringe Menge, der Frage des öffentlichen Interesses bei Drogenbesitz im Strafvollzug oder der Behandlung von Wiederholungstätern – zum Teil deutliche Diskrepanzen aufweisen.

An dieser Problemstellung setzt die Forschungsstudie an. Es sollen Erkenntnisse und statistische Daten gewonnen werden beispielsweise über die Häufigkeit und Umstände von Verfahrenseinstellungen nach § 31a BtMG und anderen Vorschriften, aber auch vor allem über die Verwirklichung der vom Gesetzgeber verfolgten Anliegen und die Umsetzung der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes enthaltenen Vorgaben. Die Ergebnisse dieser Studie werden aller Voraussicht nach Ende Oktober2004 veröffentlicht werden.

Das Forschungsprojekt Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis wird den ebenfalls im Jahr 2002 am Institut von Dr. Letizia Paoli (Sozialwissenschaftlerin) begonnenen Deutschlandteil einer weit umfangreicheren internationalen Untersuchung des amerikanischen Drug Policy Research Center der RAND Corporation in Santa Barbara und Washington, DC eigenständig ergänzen. Diese beschäftigt sich mit der Frage nach den möglichen Auswirkungen verschiedener Modelle zum strafrechtlichen Umgang mit Cannabiskonsumenten etwa in den USA, Europa und Australien auf den jeweiligen Drogenkonsum in den einzelnen Ländern. [Siehe hierzu: Cannabis Non-Prosecution Policies in Germany]:
http://www.iuscrim.mpg.de/forsch/krim/albrecht3_e.html

Infolge der vereinbarten Kooperation mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) wurde der Umfang des Deutschlandteils dieser internationalen Studie erheblich modifiziert und erweitert. So wird die Untersuchung der Einstellungspraxis nach § 31a BtMG auf sämtliche illegale Betäubungsmittel erweitert. Die Veröffentlichung der Ergebnisse war im ersten Halbjahr 2004 geplant, sie scheint sich jedoch zu verzögern.


Studie zum Cannabisgebrauch zwischen Normalität und Repression

Eine weitere Studie zum Thema Cannabisgebrauch und Repression wurde vom Sozialwissenschaftler Kurt H. G. Groll unter der Supervision von Prof. Dr. Karl-Heinz Reuband von der Universität Düsseldorf, Sozialwissenschaftliches Institut, Lehrstuhl für Soziologie II, mittels einer Befragung von Cannabiskonsumenten durchgeführt. In fünf deutschen Städten wurden hierzu Fragebögen ausgelegt. Für diese Offline-Befragung (Befragung mittels auf Papier gedruckten Fragebögen) wurden Kiel und Hamburg als Repräsentanten einer liberalen Drogenpolitik, Stuttgart und München als Repräsentanten einer repressiveren Drogenpolitik und Dresden als ein Ort aus den neuen Bundesländern ausgewählt.

Ziel der Studie war eine vergleichende Analyse der Beziehungen zwischen formalrechtlichen Vorgaben und strafrechtlicher Praxis in verschiedenen Bundesländern sowie die Untersuchung von Daten und Fakten zum drogenpolitischen Diskurs, zur Verbreitung des Drogenkonsums und zur Einstellungen der Bevölkerung gegenüber Drogen. Dabei ging es um die Frage, wie formelle und informelle Normen und die Geschichte des Umgangs mit dem Drogenproblem Einstellungen prägen und Verhalten bestimmen. Die Ergebnisse der Studie werden Ende des Jahres veröffentlicht.Die Offline-Umfrage wurde von Groll in seiner Funktion als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Offline-Forschungsprojekt Determinanten und Wirkungen kommunaler Drogenpolitik auf Bevölkerung und Konsumenten in Abhängigkeit von der strafrechtlichen Praxis, polizeilicher Rechtsdurchsetzung und politischem Diskurs durchgeführt. Sie ist Teil eines von Prof. Dr. Karl-Heinz Reuband geleiteten, von der Volks-Wagen-Stiftung finanziell geförderten und am Sozialwissenschaftlichen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beheimateten Forschungsprojektes.
http://www.volkswagen-stiftung.de/foerderung/foerderinitiativen/bewilligungslisten/prolruv_d.htm


Online-Befragung zu Cannabisgebrauch und Repression

Die Online-Befragung ist ein von der Offline-Befragung unabhängiges Forschungsprojekt und greift auf keinerlei finanzielle Förderung zurück und wird von dem Sozialwissenschaftler Groll allein über private Mittel umgesetzt. Bei diesem Projekt handelt es sich nicht um Auftragsforschung für eine staatliche oder private Institution, sondern um freie wissenschaftliche Forschung, die Groll in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler eigenverantwortlich durchführt. Die im Rahmen dieser Umfrage erhobenen Daten werden in anonymisierter Form von Groll voraussichtlich im Rahmen seiner Dissertation publiziert. Bei der über das Internetportal www.cannabisumfrage.de durchgeführten Umfrage handelt es sich um eine bundesweite Umfrage unter Cannabiskonsumenten über einen via E-Mail zu verbreitenden Fragebogen. Der Fragebogen kann aber auch direkt vom Internetportal heruntergeladen werden, in Ruhe am Rechner ausgefüllt und dann in ausgefüllter Form anonym auf das Internetportal www.cannabisumfrage.de hochgeladen (zurückgeschickt) werden. Bei dem Fragebogen zum Cannabisgebrauch handelt es sich aus Vergleichsgründen um eine modifizierte Umsetzung des Offline-Fragebogens.

Zweck der Untersuchung ist es, zu erfassen auf welche Weise in verschiedenen Teilen Deutschlands mit dem Cannabiskonsum respektive mit den Cannabiskonsumenten umgegangen wird. Die Umfrage dient unter anderem dazu, die Unterschiede in verschiedenen Regionen bezüglich des Repressionsklimas auf verschiedenen Ebenen aufzuzeigen. Wie wird kontrolliert? Wie wird bestraft? Wie viel Angst hat man, entdeckt zu werden? Wie frei rede ich darüber, daß ich Cannabis konsumiere? Welche Folgen hat das Erleben von Repression (z.B. in Bezug auf das Vertrauen in Staat und Politik oder in Bezug auf die Entfaltungsmöglichkeiten von Jugendkulturen). Dabei geraten neben den formellen Instanzen sozialer Kontrolle wie Justiz, Polizei oder Führerscheinstelle auch informelle Kontrollinstanzen wie Lehrer, Arbeitgeber oder Familie ins Zentrum des Blickfeldes.

Die Umfrage ist nicht repräsentativ und sie kann auch aus methodischen Gründen nicht repräsentativ sein, weil um Repräsentativität zu gewährleisten, muß eine Zufallsstichprobe aus der sogenannten Grundgesamtheit der interessierenden Population gezogen werden. So etwas kann man jedoch nur, wenn die Grundgesamtheit dem Forscher bekannt ist. Weil die Grundgesamtheit der Deutschen, die Cannabisprodukte konsumieren, nicht bekannt ist, kann man auch aus ihr keine Zufallsstichprobe ziehen. Die erhobenen Daten können also in diesem Falle per se nicht verallgemeinert (generalisiert) werden. Nichts desto trotz macht es Sinn, die Befragung durchzuführen – da Repräsentativität nicht das alleinige Kriterium für einen Erkenntnisgewinn ist.

Die Ergebnisse und die Auswertung der Online-Befragung werden voraussichtlich zuerst im Rahmen der Dissertation des Sozialwissenschaftlers Kurt H. G. Groll bekannt gemacht und dann einem Buch veröffentlicht, das in einem anerkannten Wissenschaftsverlag erscheinen wird. Des weiteren sind Artikel zu einzelnen Ergebnissen in Fachzeitschriften und Szenezeitschriften (Hanfblatt, Hanfjournal, usw.) geplant. Zudem kann jeder im zweiten Teil des Fragebogens angeben, ob eine Information über die Ergebnisse der Umfrage erwünscht ist und an welche E-Mail-Adresse die Information bei Bedarf gesendet werden soll. Selbstverständlich werden auch wesentliche Teile der Ergebnisse auf dem Internetportal www.cannabisumfrage.de veröffentlicht.Die Online-Umfrage läuft zumindest bis zum Ende Juli 2004. Bisher wurden etwa 1.200 Fragebögen ausgefüllt und zurückgesendet. Es werden jedoch noch mindestens 300 ausgefüllte Fragebögen für eine aussagekräftige Auswertung benötigt. Jeder, der selbst jemals Cannabis konsumiert hat, heute noch Cannabis konsumiert, in der Bundesrepublik Deutschland lebt und den Fragebogen nicht bereits als Papierversion ausgefüllt hat, kann helfen, die Datenbasis zu vergrößern, indem er sich an der Online-Umfrage beteiligt.
http://www.cannabisumfrage.de

 

Berlin, den 21. Juni 2004

Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin
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