Fuck the Love Parade  -  Love the Fuckparade

Eve & Rave e.V. Berlin  –  Pressemitteilung zur Love Parade 2002
 

Massenparties, Demonstrationen und das Versammlungsrecht

Das Recht mit anderen Menschen zusammen für etwas in der Öffentlichkeit zu demonstrieren ist in Deutschland ein unveräußerliches Grundrecht, das in Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Erst letztes Jahr bestätigte das Bundesverfassungsgericht wieder die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung des Demonstrationsrechtes (Freiheit der kollektiven Meinungskundgabe) in Bezug auf den Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung. Das besagte Grundrecht gewährleiste insbesondere Minderheitenschutz und verschaffe auch denen die Möglichkeit zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit, denen der Zugang zu den Medien versperrt sei. Die darauf bezogene Versammlungsfreiheit genießt einen gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit einen gesteigerten Schutz

Die Versammlungsfreiheit gehört ebenso wie die Meinungsfreiheit zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen der demokratischen Gesellschaftsordnung und gemießt als Mittel zur gemeinsamen Sichtbarmachung von Überzeugungen und gesellschaftpolitischen Forderungen einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, dem gegenüber Rechte anderer (z.B. von Anwohnern, Verkehrsteilnehmern und Gewerbetreibenden) zurücktreten müssen, da die Versammlungsfreiheit elementar die geistige Auseinandersetzung sowie den Kampf der Meinungen als Lebenselement der Menschen im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat belebt. Die Privilegierung des Demonstrationsrechtes gegenüber anderen Freiheitsrechten basiert auf der besonderen Schutzbedürftigkeit der freien Meinungskundgabe. Darum kann eine Demonstration nur dann als solche anerkannt werden, wenn eine solche kollektive Meinungsbildung oder Meinungskundgabe objektiv vorliegt.

Wegen des hohen Ranges des Demonstrationsrechtes müssen Anwohner oder auch Verkehrsteilnehmer nicht selten Einschränkungen in ihrer freien Mobilität erdulden. Dies ist jedoch nur dann hinnehmbar, wenn das Demonstrationsrecht eng gefaßt wird. Darum hat der Gesetzgeber zulässige Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und somit auch des Demonstrationsrechtes im Versammlungsgesetz festgeschrieben. Diese Beschränkungen betreffen Volksfeste und andere Volksbelustigungen wie auch kommerzielle Veranstaltungen, denn hier bestimmt in erster Kinie der Wunsch nach gemeinsamer Unterhaltung das Zusammentreffen der Teilnehmer und nicht die gemeinsame Kundgabe einer Meinung oder politischer Forderung.

Berliner Paradenstreit

Als farbenfrohe Demonstration für Freude und Frieden ist die Berliner Love Parade 1989 der damals sich neu entwickelnden Techno-Szene des Berliner Undergrounds entsprungen. Der Discjockey Dr. Motte meldete seinerzeit als Veranstalter diese Demonstration zu Feier seines Geburtstages bei der zuständigen Polizeibehörde an und seiner Einladung zum Friedenstanz folgten etwa 150 Freunde aus der Szene. Mit ihrer Art zu demonstrieren, setzten sie völlig neue Akzente in die Versammlungskultur.

Mitte der neunziger Jahre war die Love Parade schon weit mehr vom Kommerz als von der Kultur geprägt. Ein paar wirtschaftlich und personell eng verflochtene Firmen hatten das rege Medieninteresse an der Love Parade für die Werbung ihrer Veranstaltungen sowie von teuren Markenprodukten ausgeschlachtet und die Love Parade war vom Konzept her nichts anderes mehr als ein rein kommerzielles Straßenfest. Außer der Love Parade GmbH waren vor allem die Planetcom GmbH, die May Day GmbH sowie die Low Spirit Recordings GmbH an der Ausschlachtung der Berliner Underground-Kultur zum Nachteil der Underground-Szenen in der Stadt beteiligt.

Die Love Parade GmbH, eine auf Gewinnstreben ausgelegte Kapitalgesellschaft, verlangte für jeden Musikwagen mehrere Tausend Mark Anmeldegebühr, so daß viele Berliner Szene-Klubs, in denen nicht wenige die groß präsentierten Musiktitel entstanden, keine Teilnahmechancen hatten. Zudem kassierte die Love Parade GmbH jährlich aus den Verkäufen von Bildrechten und Werbeeinnahmen Beträge in Millionenhöhe. Kurzum, die Love Parade GmbH nutzte über Jahre hinweg für ihre Tanz-parade in Berlin den Status einer Demonstration und die damit verbundene Förderung mit Steuergeldern (Kosten für Absperrungen und Reinigung zu Lasten der Staatskasse) und konnte so Gewinne in Millionenhöhe erwirtschaften.

Um gegen diesen Mißbrauch des Versammlungsrechtes wie auch gegen den damit einhergehenden Trend zur Kommerzialisierung der Berliner Technoszene ein Signal zu setzen, haben sich 1996 vor allem politisch redlich denkende Raver vom Umfeld der Love Parade und ihre Macher distanziert und ab 1997 jeweils am Tag der Love Parade zu einer Demonstration gegen diesen Mißbrauch und vor allem auch gegen diese Kommerzialisierung aufgerufen und sich zur Veranstaltung der Hateparade (1997) respektive Fuckparade (ab 1998) versammelt. Somit war den Behörden in Berlin spätestens ab der Anmeldung der Hateparade im Juli 1997 durch DJ Trauma XP der Tatbestand bekannt, daß die Love Parade keine Demonstration im Sinne des Versammlungsrechtes war, sondern eine kommerzielle Tanzveranstaltung. Dennoch duldeten die Polizeibehörden die Love Parade als De-monstration, weil sie so viel Geld und Touristen in die Stadt holte wie keine andere Großveranstaltung. Rechtlich ist natürlich zu prüfen, ob diese Duldung seitens der Polizei nicht auch einen Straftatbestand erfüllte, weil durch diese Duldung Profite von privaten Kapitalgesellschaften unzulässig mit Steuergeldern gefördert wurden.
Erst die letztjährige, ursprünglich für den 14. Juli 2001 vorgesehene, dann aber erst am 21. Juli 2001 durchgeführte Love Parade, die wegen einer bereits zuvor für den gleichen Zeitraum am gleichen Ort angemeldeten Demonstration zum Thema „Der Tiergarten gehört allen Berlinern“ untersagt worden war, wurde gemäß Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 22. Mai 2001 nicht mehr als Demonstration anerkannt. Zur Begründung hieß es, die Love Parade sei eine reine Musikveranstaltung und weise nicht den für eine Versammlung maßgeblichen verbindenden Zweck der Meinungsbildung und Meinungsäußerung auf. Auch das in dieser Sache angerufene Verwaltungsgericht entschied am 28. Juni 2001 in gleicher Weise und stellte zudem fest, daß die Versammlungseigenschaft auch deshalb zu verneinen sei, weil es sich bei der Love Parade um eine kommerzielle Veranstaltung handle. Es sei nicht gerechtfertigt, rein wirtschaftlich motivierte Zusammenkünfte von Menschen verfassungsrechtlich zu privilegieren. Diese Entscheidung wurde am 6. Juli 2001 vom Oberverwaltungsgericht und am 12. Juli 2001 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. So war die Love Parade letztes Jahr keine Demo, sondern eine reine Straßenveranstaltung (auf der Basis einer straßenrechtlichen Sondernutzungsgenehmigung) und die Macher mußten die Müllbeseitigung sowie andere Nebenkosten bezahlen und nicht mehr der Steuerzahler.

Der Antrag von DJ Trauma XP die Fuckparade im Juli 2001 als Demonstration durchzuführen, wurde vom Polizeipräsidenten in Berlin mit Bescheid vom 14. Mai 2001 zurückgewiesen. Dem eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Polizeipräsidenten wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 28. Juni 2001 stattgegeben. Das Gericht stellte fest, daß es für die Qualifizierung als Versammlung unerheblich sei, ob Musik und Tanz zur Unterstützung der Versammlungsthemen als spezifische Ausdruckformen eingesetzt werden. Die Veranstaltung habe gleichwohl deshalb Versammlungscharakter, weil die Verbreitung zahlreicher Handzettel beabsichtigt sei, auf denen das Anliegen der Veranstaltung ausfühlich und verständlich dargestellt werde. Zudem verfolge die Fuckparade nicht wie die Love Parade komerzielle Zwecke. Weder müssen für die Musikwagen Startgebühren entrichtet werden, noch seien Werbeeinnahmen oder sonstige Gewinne zu erwarten. Die Fuckparade habe den Charakter einer Demonstration.
Das Oberverwaltungsgericht änderte diese Entscheidung mit Beschluß vom 6. Juli 2001 wieder mit der Begründung ab, das Schwergewicht der Veranstaltung liege eindeutig auf dem Gebiet der Unterhaltung. Dem schloß sich auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 12. Juli 2001 mit einer äußerst realitätsfremden abschleißenden Bemerkung an, daß auch der Fuckparade die Möglichkeit bleibe, eine Sondernutzungsgenehmigung für die Straßenbenutzung zu beantragen, wobei deren Erteilung nicht aus zeitlichen Gründen im Hinblick auf den langwierigen, die rechtliche Einordnung der Veranstaltung betreffenden Entscheidungsprozeß, versagt werden dürfe. Da eine kosten-neutrale Sondernutzungsgenehmigung in nur einem Tag in Berlin nicht erteilt werden kann, wurde der Fuckparade somit ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit mit höchstrichterlichem Segen verwehrt. Die Fuckparade konnte nicht stattfinden.

Stattdessen wurde am 14. Juli 2001 für das Demonstrationsrecht und die freie Wahl der Mittel bei einer Versammlung auf öffentlichem Grund demonstriert. Radio Fritz, ein öffentlichrechtlicher Radiosender in Berlin, solidarisierte sich mit der Fuckparade. Die Djs konnten in der Volksbühne ihre Platten auflegen, die Musik wurde vom Radiosender übertragen und sollte auf der Demonstration aus Radios und Ghettoblastern die verbotenen Soundsysteme ersetzen. Promt wurden auch die Radios und Ghettoblaster verboten, obwohl das Abspielen von Musik auf Demonstrationen sonst etwas selbstverständliches ist.

Besonders pikant dabei ist die Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß feststellte, daß Versammlungen auch dann in den Schutzbereich des Versammlungsfreiheit fallen, wenn sie ihre kummunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies gilt jedoch nur, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die örtliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfaßt und rechtlich geschützt, wenn sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, daß bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden sollen. Geschützt durch das Grundgesetz ist in solchen Fällen die kommunikative Einflußnahme auf die öffentliche Meinung, um auf die zukünftige Durchführung solcher Veranstaltungen hinzuwirken, nicht aber das Abhalten der Musik- und Tanzveranstaltung selbst.

Auch im Jahr 2002 wurde der Fuckparade der Demonstrationsstatus aberkannt. Dagegen protestieren und demonstrieren wir. Die Demonstration startet am Samstag, den 13. Juli gegen 15 Uhr am Bunker in der Reinhardtstraße in Berlin-Mitte und geht zum Roten Rathaus am Alexanderplatz.
 

Weiterführende Informationen zum Rechtsstreit

Der Rechtsstreit um den Demanstrationsstatus der Fuckparade
 http://www.bembelterror.de/fuckparade/2001/fp2001_news_klage_0813a.html

14.06.2002: Versammlungsbehörde signalisiert telephonisch Ablehnung
 http://www.bembelterror.de/fuckparade/2002/fp2002_news_trauma_0614.html

02.06.2002: Fuckparade für den 13. Juli 2002 als Demonstration angemeldet
 http://www.bembelterror.de/fuckparade/2002/fp2002_news_trauma_0602.html

Bundesverfassungsgericht: Kammerbeschluß im Eilverfahren vom 12. Juli 2001 in Sachen Love Parade und Fuckparade (1 BvQ 28/01)
 http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/qk20010712_1bvq002801

Ausführliche Dokumentation des Rechtsstreites mit allen Entscheidungen der Gerichte (Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht, Bundesverfassungsgericht) im Wortlaut sowie Pressespiegel zur Love Parade und Fuckparade
 http://www.bembelterror.de/fuckparade/2002/fp2002_news.html
 

Demonstration: Start: Samstag, 13. Juli 2002 gegen 15 Uhr am Bunker

Lageplan Bunker [U-Bahn und S-Bahn und Regionalbahn Bahnhof Friedrichstrasse]
 http://www.map24.de/map24/index.php3?street0=reinhardtstr.+20&zip0=10117&city0=berlin&country0=de&maptype=RELOAD
 

Unsere Partytips

Krieg im Club
Freitag, 12. Juli 2002, 22 Uhr
Basement/Kalkscheune, Johannisstr. 2, Berlin-Mitte
 
LineUp: Panacea (position chrome), Tarmvred (ad noiseam), Needlesharing (ad noiseam), Noize Punishment (hardliner rec.), Chlorgeschlecht/Transformer, Dose D & MC Wuzi Khan, Youdee (breakcore jungle noise)
Info: Phone: 0177-3288626 Interrnet:  http://www.klangkrieg.de
 

fuckparade warm up
Freitag, 12. Juli 2002, 23 Uhr
Acud, Veteranenstr. 21, Berlin-Mitte
 
LineUp: lxc (protocut/ strukturbruch, leipzig), fixed frequency, bumper, roam (alle audiomassive, berlin) (breakcore, drum and bass, jungle)
Info:  http://www.audiomassive.de/menu/audiomassive.html
 

Utterly wipe out!
Samstag, 13. Juli 2002, 23 Uhr
KÖPI, Basement. Köpenicker Str. 137, Berlin-Kreuzberg

LineUp: Trauma XP, Violentus (DK), V8, Inapt, Noize Punishment (CZ), Eiterherd (AT), Amboss + Zombieflesheater, Steve Riot (ex-bloody666.ch) + resident crew (Nihil Fist, LFO Demon, DJane Salomé vs. Orange) (breakcore. speedcore. industrial. gabber.)
Info:  http://www.freak-animals.org/3494.html
 

Tekkno  +  X-tase
Samstag, 13. Juli 2002, 23 Uhr
Glaswerk Stralau, Alt Stralau 63-67, Berlin-Friedrichshain

LineUp: Tanith & Takraf, Wolle XDP, Pierre (Stammheim Kassel), Marky (Stammheim Kassel), Emerson, Holgi Star, Stefan Küchenmeister, Tosh, Chi (Stammheim Kassel), Axl Baum, Housemeister, Two 4 Joy, Duck, Don Tom, Aybee, Sebrok  +++  Live: Schulenburg
Info:  http://www.tanith.org/http://www.tekknozid.de/
 
 

Berlin, den 7. Juli 2002
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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