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Änderungsverordnungen

Das Verordnungsprinzip zur Änderung
betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften.
Ein Kommentar anläßlich der 14. Änderungsverordnung
von Hans Cousto


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  1. Historischer Rückblick:
    Das Opiumgesetz

    Die erste Verordnung zur Kontrolle des Handels mit Opiaten und Kokain im Deutschen Reich wurde während des Ersten Weltkrieges im Jahre 1917 erlassen. Aufgrund der Handelsblockade seitens der Kriegsgegner wurden die an der Front und in den Lazaretten benötigten Betäubungsmittel knapp und der Bedarf stieg stetig an. Die Versorgungsprobleme zwangen die Reichsregierung zur Einführung einer Verordnung betreffend den Handel mit Opium und anderen Betäubungsmitteln. Die Verordnung vom 22. März 1917 umfaßte 3 Paragraphen und regelte den Handel mit Opium, Morphium und die übrigen Opiumalkaloide, Kokain und analoge zusammengesetzte Ekgoninverbindungen. Die Strafandrohung bei Zuwiderhandlung lag bei bis zu einem Jahr Gefängnis und/oder 10.000 Mark Geldstrafe.

    Als die Versorgungsschwierigkeiten im Revolutionswinter nach dem Krieg 1918/1919 katastrophale Ausmaße annahmen, verschlimmert durch Diebstähle aus Krankenhäusern und Lazaretten, wurde im Dezember 1918 eine neue Verordnung über den Verkehr mit Opium erlassen. Der Meldepflicht unterlagen Mengen, welche nachstehende Grenzen überstiegen:

     

    1.

    Opium und Opiumpulver insgesamt:

    1 Kilogramm

    2.

    Opiumextrakte:

    100 Gramm

    3.

    Opiumtinkturen:

    10 Kilogramm

    4.

    Morphin und dessen Salze, gleichviel in welcher Form, insgesamt:

    1 Kilogramm

    5.

    Codein und dessen Salze, gleichviel in welcher Form insgesamt:

    1 Kilogramm

    6.

    die anderen Opiumalkaloide sowie die Verbindungen und Zubereitungen insgesamt:

    1 Kilogramm

     

    Die Strafandrohung bei Zuwiderhandlung wurde gegenüber der Verordnung von 1917 abgesenkt und lag bei höchsten 6 Monaten Gefängnis und/oder 10.000 Mark Geldstrafe. Am 20. Juli 1920 folgte hierauf unter Beibehaltung der nach heutigen Maßstäbe geringen Strafandrohung von Gefängnis bis zu 6 Monaten und/oder 10.000 Mark Geldstrafe die Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln.

    Als vorläufige Maßnahme schien die verbesserte Kontrolle des Großhandels durch Einführung von Meldepflicht, Erlaubnispflicht, Bezugsscheinpflicht und Lagerbuchpflicht, um die Versorgung der Krankenhäuser und Arztpraxen zu sichern und den Schwarzmarkt einzudämmen, zu funktionieren. Doch in diese Situation platzte eine neue Initiative der "Internationalen Vereinigung für den Kampf gegen das Opium in Peking und England", auf deren Betreiben der Versailler Vertrag in Artikel 295 I um die Verpflichtung der Verliererstaaten ergänzt wurde, die Internationale Opiumkonvention von 1912 zu ratifizieren – und zwar gemäß Artikel 295 I binnen 12 Monaten.

    Knapp zwei Wochen vor Ablauf der im Vertrag von Versailles gesetzten Frist kam das Deutsche Reich seiner Verpflichtung aus der Ratifizierung des Haager Abkommens mit der Einführung eines Opiumgesetzes am 30. Dezember 1920 nach. Dieses Gesetz behielt die schon mit der Verordnung vom 20. Juni 1920 eingeführten zentralen Aufsichtsrechte des Reichsgesundheitsamtes bei und verfügte in § 8 für Verstöße gegen die Erlaubnis-, Bezugsschein-, und Lagerbuchführungspflicht, gegen bestimmte Ein- und Ausfuhrregelungen und das neu eingeführte absolute Verkehrsverbot für Rauch- opium Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten und/oder Geldstrafe bis zu 10.000 Mark, unterschied sich also in der Strafhöhe nicht von den Verordnungs-Vorgängern. Dennoch bedeutete die Einführung des Opiumgesetzes eine Zäsur in der deutschen Drogenpolitik. Die Auswirkungen dieser unfreiwilligen Transplantation erzwungenen Rechts bestanden vor allem in der Schaffung eines Sonderrechts für eine bestimmte Anzahl von Drogen – eines Sonderrechts, dem nicht von vorn herein eine identifizierbare "Sonderwirklichkeit" im Deutschen Reiche entsprach, sondern welches sich erst diese Sonderwirklichkeit schuf.

    Das Gesetz beschränkte sich auf Opium, Morphium und Heroin und deren Salze, Esthern, Ethern, etc. einerseits und Kokain und Verwandte Stoffe anderseits und richtete sich noch nicht gegen Cannabis. Mit einem Änderungsgesetz zum Opiumgesetz vom 21. März 1924 wurde die Strafandrohung von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht.

    Die deutsche Alkaloidindustrie wurde durch die gesetzgeberischen Aktivitäten kaum aufgehalten. Morphin, Heroin, Kokain und Codein wurden zwischen 1921 und 1928 mit großen Steigerungsraten produziert und exportiert, insbesondere in Form solcher Substanzen, die nicht unter Kontrolle des Opiumgesetzes fielen, wie zum Beispiel Codein. Im Jahr 1928 verarbeitete die deutsche Alkaloidindustrie knapp 200 Tonnen Opium.

    Die Verfolgung blieb in den zwanziger Jahren stets gering, jährlich wurden zwischen 100 und 300 Personen rechtskräftig nach dem Opiumgesetz verurteilt.

    Die Ergebnisse der 2. Genfer Opiumkonferenz wurden am 26. Juni 1929 zu innerstaatlichem Recht. Seither fiel auch der indische Hanf, das heißt auch Haschisch und Gras, unter den Geltungsbereich des Opiumgesetzes, wobei die medizinische Anwendung nicht tangiert wurde.

    Das Opiumgesetz vom 10. Dezember 1929 übernahm die Bestimmungen des vor weniger als einem halben Jahr eingeführten Gesetzes vom 26. Juni 1929 und integrierte zudem noch sämtliche gültigen bisherigen Verordnungen und Gesetze. Zudem wurde die zusätzliche Möglichkeit geschaffen, durch Rechtsverordnung ständig neue Stoffe dem Opiumgesetz zu unterstellen, wenn dies auf Grund ihrer Wirkungsweise gerechtfertigt erschien (§ 1 Abs. 2 OpiumG 1929). Von der seit Inkrafttreten des Opiumgesetzes am 1. Januar 1930 an bestehenden Möglichkeit, weitere Betäubungsmittel auf dem Weg der Verordnung unter die Bestimmungen des Opiumgesetzes zu stellen, wurde im Deutschen Reich nur selten Gebrauch gemacht und es wurden jeweils eine oder wenige Substanzen, die vornehmlich als Opiatersatze dienten, dem Opiumgesetz unterstellt. Insgesamt gab es bis 1945 sechs Verordnungen über die Unterstellung weiterer Stoffe unter die Bestimmungen des Opiumgesetzes. Nach dem Krieg machte die Bundesregierung erstmals am 16. Juni 1953 Gebrauch von dieser Möglichkeit und unterstellte gleich 13 neue Stoffe unter die Bestimmungen des Opiumgesetzes.

 


Fussnoten:

  1. RGBl. 1917 I S. 256; RGBl. = Reichsgesetzblatt

  2. Ekgonin (auch Ecgonin) ist die Carbonsäure des Tropins, das mit Tropasäure verbunden, Atropin ergibt. Der Methylbenzoylesther des Ekgonins ist das Kokain.

  3. Verordnung über den Verkehr mit Opium vom 15. Dezember 1918 (RGBl. I S. 1447)

  4. Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln vom 20. Juli 1920 (RGBl. I S. 1464); Vgl.: S. Scheerer: Die Genese der Betäubungsmittelgesetze in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden, Göttingen 1982, S. 41 ff.

  5. Versailler Vertrag, am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal zu Versailles unterzeichneter und am 10. Januar 1920 in Kraft getretener Friedensvertrag der alliierten und assoziierten Mächte mit dem Deutschen Reich, der den 1. Weltkrieg zwischen den Unterzeichnerstaaten beendete.

  6. Gegen Opiummißbrauch (in China) richtet sich die am 23. Januar 1912 in den Niederlanden (Den Haag) geschlossenen Internationale Opiumkonvention.

  7. quot;Diejenigen der hohen vertragschließenden Teile, die das Haager Opium-Abkommen vom 23. Januar 1912 noch nicht unterzeichnet oder nach der Unterzeichnung noch nicht ratifiziert haben, erklären sich damit einverstanden, das Abkommen in Kraft zu setzen und zu diesem Zwecke sobald wie möglich und spätestens binnen 12 Monaten nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages die nötigen Gesetze zu erlassen." (RGBl. 1919, II S. 1103)

  8. Erstes Deutsches Opiumgesetz vom 30. Dezember 1920 (RGBl. 1921, I S. 2)

  9. Vgl.: S. Scheerer: Die Genese der Betäubungsmittelgesetze in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden, Göttingen 1982, S. 48 f.

  10. Änderungsgesetz zum Opiumgesetz vom 21. März 1924 (RGBl. 1924, I S. 290)

  11. Hessische Kommission »Kriminalpolitik«: Dokumentation. Entkriminalisierungsvorschläge der Hessischen Kommission »Kriminalpolitik« zum Betäubungsmittelstrafrecht, in: Strafverteidiger 5/1992, S. 249 ff.

  12. Ebd.

  13. Gesetz über das Internationale Opiumabkommen vom 19 Februar 1925 im Deutschen Reich per Gesetz vom 26. Juni 1929 zu innerstaatlichem Recht deklariert (RGBl. 1929, II S. 407)

  14. Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 10. Dezember 1929 (RGBl. 1929, I S. 215)


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