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Von der Opiumhöhle zur Fixerstube

100 Jahre Drogenprohibition
Eine Analyse von Hans Cousto


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  1. Die Entwicklung der Drogenrepression in der Schweiz

    In der Schweiz wurden die Behörden und die Öffentlichkeit durch die Demonstrationen für ein autonomes Jugendzentrum in Zürich Ende Juni 1968 aufgeschreckt. Tausende von Jugendlichen und Polizisten lieferten sich am 29. und 30. Juni 1968 vor dem »Globusprovisorium« in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs eine erbitterte Straßenschlacht. Nach dieser Demonstration geriet die Polizei ins Kreuzfeuer der Kritik, mehrere Zeitungen berichteten von Mißhandlungen im »Globus«. Der Blick sprach von einer »Prügelorgie wie bei der Gestapo« und der Züri-Leu fuhr mit noch härterem Geschütz auf. Er schrieb: »Feige, niederträchtige Gestapo-Methoden standen dem Vernehmen nach hoch im Kurs«.

    Ein Monat zuvor, am 31. Mai 1968 fand im Hallenstadion in Zürich ein legendäres Jimi-Hendrix-Konzert statt. Tausende Jugendliche lauschten den Klängen ihres Idols. Am Schluß des Konzertes folgte dann, weil die Jugendlichen offenbar die Halle nicht schnell genug räumten, ein heftiger Polizeieinsatz. Über 100 Polizisten stürzten in die Halle und knüppelten die Menge ins Freie. Es kam zum Krawall der – zum Teil in die Innenstadt verlagert – bis in die Morgenstunden dauerte. Am 30. Oktober 1970 wurde dann der Lindenhofbunker in Zürich von der Zürcher Jugend als autonomes Jugendzentrum übernommen. Das geplante dreitägige Eröffnungsfest im Bunker dauerte de facto über zwei Monate, in der Silvesternacht wurde die »Autonome Republik Bunker« ausgerufen. Der Bruch mit den Autoritäten war perfekt. Im Januar 1971 wurde der Bunker wieder geschlossen.
    Zürich aber hatte jetzt eine echte Szene!

    Um dieser Szene beizukommen, wurde auch in der Schweiz das Betäubungsmittelgesetz instrumentalisiert. Im Jahr 1968 lag die Zahl der Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz bei 123 (in Worten: Einhundertdreiundzwanzig). 1981, zehn Jahre nach der Ausrufung der »Autonomen Republik Bunker« und dreizehn Jahre nach den Krawallen vor dem »Globusprovisorium« wurden das 80fache an Strafanzeigen registriert, knapp 10.000. Zehn Jahre später, 1991, waren es bereits über 20.000 und 1994 bereits über 40.000 Anzeigen. Auch in der Schweiz begegneten die Behörden der Technokultur mit einer Intensivierung der Drogenrepression. Da sich die Zahl der Drogenkonsumenten in der Schweiz in der ersten Hälfte der neunziger Jahre sicherlich nicht verdoppelte, muß somit auf eine überproportionale Steigerung der polizeilichen Aktivitäten im Bereich der Verfolgung von Drogendelinquenten geschlossen werden.

     

    Graphik III:  Erfaßte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Schweiz


    Quelle: Bundesamt für Polizeiwesen (BAP): Szene Schweiz – Lagebericht 1999, Bern 2000, S. 6


    Irrtümlicherweise glauben viele Menschen, die Schweizer Drogenpolitik sei liberal. Fakt ist, daß in der Schweiz die Wahrscheinlichkeit, sich wegen Drogen eine Strafanzeige einzuhandeln, mehr als doppelt so groß ist wie in Deutschland. In der Schweiz lag die Häufigkeitszahl (Anzahl der Anzeigen pro 100.000 Einwohner) in den letzten vier Jahren stets über 600, in Deutschland jedoch »nur« zwischen 200 und 300.

     

    Graphik IV:   Häufigkeitszahl erfaßter Betäubungsmitteldelikte in Deutschland


    Berechnet auf Basis der Daten des BKA, Rauschgiftjahresbericht 1999, Tab. 1, Wiesbaden 2000. Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1990 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Die Zahlen bis 1989 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich des Landes West-Berlin, in den Zahlen ab 1990 sind die Delikte aller Bundesländer enthalten.

    Aufgrund der gestiegenen "Rauschgiftkriminalität" wurde 1999 eine Erhöhung der durchschnittlichen Häufigkeitszahl (+4,3%) gegenüber dem Vorjahr in der Bundesrepublik Deutschland auf 276 Delikte pro 100.000 Einwohner (1998: 265) registriert. Wie in den Vorjahren war die Häufigkeitszahl in den neuen Bundesländern erheblich niedriger als im alten Bundesgebiet, dennoch setzte sich hier der Trend der Anpassung fort. Die Deliktbelastung in den neuen Bundesländern entsprach 1999 etwa der Häufigkeit im alten Bundesgebiet von 1994. Im Jahr 1999 (1998) lag die Häufigkeitsbelastung in den alten Bundesländern einschließlich Gesamt-Berlin bei 299 (296), in den neuen Bundesländern bei 167 (123) Fällen pro 100.000 Einwohner.

     

    Graphik V:   Häufigkeitszahl erfaßter Betäubungsmitteldelikte in der Schweiz


    Errechnet auf Basis der Daten des Bundesamtes für Polizeiwesen (BAP): Szene Schweiz – Lagebericht 1999, Bern 2000, S. 6

 

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Fußnoten:

   

1.

D. Leu: Drogen - Sucht oder Genuß, Basel 1980, S. 31

   

2.

Bundesamt für Polizeiwesen (BAP): Szene Schweiz - Lagebericht 1999, Bern 2000, S. 6

 


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