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Von der Opiumhöhle zur Fixerstube

100 Jahre Drogenprohibition
Eine Analyse von Hans Cousto


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  1. Die Entwicklung der Drogenrepression in Deutschland

    Das Betäubungsmittelgesetz war seit Ende der sechziger Jahre für die Behörden ein Instrumentarium (Mittel zur Durchführung einer Tätigkeit und Erreichung eines Zieles) zur Zerschlagung politisch und/ oder kulturell unliebsamer Szenen, wobei die Art der dort konsumierten illegalisierten Drogen und der Grad der dort aufgetauchten sogenannten kriminellen Energie bei der Wahl der getroffenen Maßnahmen nur von nachrangiger Bedeutung war. Bis 1966 lag die Zahl der jährlich erfaßten Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in der Bundesrepublik Deutschland deutlich unter 1.000. Im Jahr 1967, als Benno Ohnesorg von der Polizei erschossen wurde, wurden erstmals in den sechziger Jahren über 1.000 Tatverdächtige registriert. Vier Jahre später, 1971, als der Begründer der »umherschweifenden Haschrebellen«, Georg von Rauch, von der Polizei erschossen wurde, wurden bereits über 20.000 Tatverdächtige registriert .

     

    Graphik I:  Erfaßte Rauschgiftdelikte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes West-Berlin (Tatverdächtige)


    Quelle: Bundeskriminalamt (BKA): Polizeiliche Kriminalstatistik 1979, Wiesbaden 1980


    Einen Expansionskoeffizienten (Expansion = Ausdehnung; Koeffizent = kennzeichnende Größe für bestimmte Funktionen oder Verhaltensweisen; hier also die Größe der Intensität der Zunahme) der Drogenrepression in diesem Ausmaß innerhalb von nur vier Jahren hatte es nie zuvor und auch nie danach gegeben. Der Staat Deutschland reagierte auf die kulturellen und politischen Ereignisse Ende der sechziger und anfangs der siebziger Jahre mit einer jährlichen Verdoppelung der Drogenrepression, die dann auch Grundlage für die Einführung des neuen Betäubungsmittelgesetzes an Weihnachten 1971 war. Nach Einführung des neuen Gesetzes verdoppelte sich die Zahl der Tatverdächtigen innerhalb von acht Jahren, 1979 wurden knapp 50.000 Tatverdächtige registriert und etwas über 50.000 Delikte. Die nächste Verdoppelung dauerte 11 Jahre, denn 1990 wurden erstmalig über 100.000 Delikte registriert. Mit dem Aufkommen von Techno beschleunigte sich wieder die Geschwindigkeit der Zunahme des Repressionskoeffizienten (Maß oder Intensität der Unterdrückung). Innerhalb von nur sieben Jahren war bereits wieder eine Verdoppelung erreicht, denn 1997 wurden erstmalig über 200.000 Delikte registriert. Die Tendenz ist weiter steigend. Von einer Wende in der Drogenpolitik, wie es sich viele von der neuen Rot-Grünen Bundesregierung erhofften, ist im Bereich der Repression nichts zu spüren, eher im Gegenteil: Berlins Innensenator Eckart Werthebach gab im Mai 2000 bekannt, daß die Zahl der Rauschgiftdelikte in Berlin im ersten Quartal um 99,3% gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres zugenommen habe, sich also nahezu verdoppelte .

     

    Graphik II:  Rauschgiftdelikte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes West-Berlin (1980-1990), ab 1991 einschließlich ganz Berlin und neue Bundesländer (erfaßte Delikte)


    Quelle: Bundeskriminalamt (BKA): Rauschgiftjahresbericht 1998, Wiesbaden 1999, Tabelle 1

 

 

  1. Delikte und Tatverdächtige in Deutschland

    Im Jahre 1999 wurden 221.921 »Rauschgiftdelikte« von der Polizei in Deutschland erfaßt, 118.973 Delikte (53,6%) betrafen Cannabis und Zubereitungen (Gras und Hasch), davon waren 66.937 Fälle (56,3% aller Cannabisdelikte oder 30,2% aller »Rauschgiftdelikte«) reine konsumbezogene Delikte (allgemeine Verstöße nach § 29 BtMG), das heißt Besitz von kleineren Mengen zum Eigenverbrauch. Nur etwa jedes fünfte Delikt (20,5%) betraf Heroin.

    Von den 1999 erfaßten 185.413 Tatverdächtigen wurden 114.744 Personen (61,9%) wegen Besitz, Handel und/oder Einfuhr von Cannabisprodukten polizeilich registriert. 80.972 der Tatverdächtigen (70,6% aller wegen Cannabisdelikte erfaßten Tatverdächtige oder 43,7% der Taverdächtigten insgesamt) wurden ausschließlich wegen konsumbezogene Delikte mit Cannabisprodukten von der Polizei erfaßt. Davon waren weit mehr als die Hälfte (54,2%) unter 21 Jahre alt (Kinder, Jugendliche und Heranwachsende) .

    Der Schwerpunkt der Repression liegt somit in Deutschland nach wie vor eindeutig bei der Verfolgung der Cannabiskonsumenten. Junge Cannabiskonsumenten sind von der polizeilichen Fahndung besonders betroffen. Ein Grund für den Schwerpunkt der polizeilichen Fahndung nach jungen Haschischraucher liegt in der polizeilichen Kriminalstatistik. Wird dort eine jährliche Steigerung der sogenannten »Jugendkriminalität« sowie der »Rauschgiftkriminalität« ausgewiesen, lassen sich von den knappen Etats (Staatshaushaltspläne) leichter Geldmittel für die Aufstockung der Geldmittel für die Polizeibehörden durchsetzen. Drogenrepression hat somit aus polizeilicher Sicht durchaus auch einen merkantilistischen Aspekt.

 

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Fußnoten:

   

1.

Bundeskriminalamt (BKA): Polizeiliche Kriminalstatistik 1979, Wiesbaden 1980, S. 208

   

2.

Der durchschnittliche Expansionskoeffizient lag im Zeitraum von 1966 bis 1971 etwa bei 2 (genau bei 1,956). Dies entspricht einer jährlichen Verdoppelung (+100%) der erfaßten Täter. 1967 lag die Zuwachsrate noch bei +51%, 1968 schon bei +58%, 1969 dann bereits bei +127% und erreichte dann 1970 das Maximum von +267%

   

3.

Bundeskriminalamt (BKA): Rauschgiftjahresbericht 1998, Wiesbaden 1999, Tabelle 1

   

4.

ddp: Werthebach: Zahl der Straftaten steigt – Insbesondere mehr Rauschgiftdelikte, in: Der Tagesspiegel vom 21. Mai 2000, S. 11

   

5.

Bundeskriminalamt (BKA): Polizeiliche Kriminalstatistik 1999, Wiesbaden 2000, S. 216 ff.

 


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