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Von der Opiumhöhle zur Fixerstube

100 Jahre Drogenprohibition
Eine Analyse von Hans Cousto


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  1. Repression und Gewalt gegen die 68er Generation

    In Deutschland fühlten sich die konservativen bürgerlichen Kräfte (Bourgeoisie) nicht nur durch die Hippies und anderen Drogenkonsumenten bedroht, sondern vor allem auch durch die politisch aktive Studentenbewegung. Die Studenten protestierten nicht nur gegen die skandalöse Überfüllung der viel zu kleinen Universitäten, sondern besonders auch gegen den zunehmenden Leerstand von Villen und Häusern, die raffgierige Spekulanten verfallen ließen um eine Abrißgenehmigung zu erzwingen um auf den Grundstücken bessere Renditeobjekte errichten zu können. Es herrschte jedoch große Wohnungsnot und so wurden viele dieser Häuser besetzt. Auch protestierten die Studenten gegen die Politik der USA, die in Vietnam einen Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung mit Napalmbomben führte und gegen Präsident Nixon, den immer wieder aufs Neue den »War on Drugs« (Krieg gegen Drogen) proklamierte.

    Die Staatsmacht in Deutschland reagierte heftig, nicht nur, daß die Drogenrepression Ende der sechziger Jahre explosionsartig zunahm, sondern Demonstranten wurden eingekesselt, mit Schlagstöcken traktiert und dutzendweise krankenhausreif geschlagen; hin und wieder fiel auch ein Schuß. So wurde anläßlich einer großen Demonstration vor der Deutschen Oper am 2. Juni 1967 gegen das Folter- und Terrorregime des Schahs von Persien, Mohammed Resa Pahlawi, als dieser mit seiner Frau, der Schabanu Farah Diba, die Zauberflöte besuchte, der 26jährige Student Benno Ohnesorg, Pazifist und Mitglied der evangelischen Studentengemeinde, ohne Not vorsätzlich und gezielt von dem 39jährigen Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras (Abteilung I, Politische Polizei) erschossen. Der Polizist Karl-Heinz Kurras wurde am 21. November 1967 vor Gericht (14. große Strafkammer beim Landgericht Moabit) freigesprochen, da er »überfordert und nervös gewesen sei,« und es »keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Tötung oder eine beabsichtigte Körperverletzung durch einen gezielten Schuß« gegeben habe. Hingegen trat am 19. September 1967 der für den Polizeieinsatz verantwortliche Innensenator Wolfgang Büsch zurück. Büsch hatte die Konsequenz aus der Kritik an der ihm unterstellten Berliner Polizei gezogen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß hatte zuvor das Verhalten der Polizei im Zusammenhang mit den Zwischenfällen beim Schah-Besuch beanstandet. Eine Woche später wurde Polizeipräsident Erich Dünsing frühzeitig in Pension geschickt, und vier weitere Tage später, am 26. September 1967, trat dann der regierende Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD) mit dem gesamten Senat nach nur 287 Tagen Amtszeit zurück.

    Daraufhin verstärkten zahlreiche deutschen Zeitungen, angeführt von der Springer-Presse, ihre geballte Hetzkampagne gegen die rebellierenden Studenten und alle Langhaarigen (Hippies) und vor allem gegen den Sprecher des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), Rudi Dutschke, dessen Visage im Stil von Verbrecherphotos in Zeitungen publiziert wurde, ähnlich, wie es die CDU im Januar 2001 mit der Visage des Bundeskanzlers Schröder (SPD) für ein Wahlplakat vor hatte. Die Kampagne, die Rudi Dutschke zum »Volksfeind Nr. 1« erklärte, ließ den jungen rechtsradikalen Bauhilfsarbeiter Josef Bachmann am Gründonnerstag, den 11. April 1968, zur Tat schreiten. Er schoß dreimal mit seinem Trommelrevolver auf Rudi Dutschke und verletzte ihn lebensgefährlich. Elf Jahre später starb er an den Folgen des Attentats. Die drei Schüsse auf Rudi Dutschke lösten die »Oster-Unruhen« aus, durch die zwar der Vertrieb der Springer-Zeitungen nicht sonderlich blockiert, jedoch Tausende junge Menschen wegen Landesfriedensbruch kriminalisiert wurden. Nach diesem 11. April begann auch in den Kiffer-Kneipen die Diskussion über Dope und Revolution .

 

 

  1. Todesschüsse gegen die »umherschweifenden Haschrebellen«

    Das bemerkenswerteste Randergebnis dieser Zeit waren die »umherschweifenden Haschrebellen« , eine herzlich undogmatische Gegenposition zu den ideologisch getrimmten Linksintellektuellen. Gegründet wurde dieser heitere und stets chaotische Haufen von Georg von Rauch, Thomas (Tommy) Weißbecker und »Bommi« Baumann. Georg lieferte das Motto: »High sein, frei sein, Terror muß dabei sein«. Mit Terror hatten die Aktionen dieser Sponti-Vorläufer eigentlich wenig zu tun, glichen doch ihre zeit- und sozialkritische Vorstellungen eher den Darbietungen eines Kabarett, doch schon der Wahlspruch ließ Behörden und Öffentlichkeit hysterisch reagieren. Mit tödlichen Folgen, denn am 4. Dezember 1971 wurde der unbewaffnete Georg von Rauch bei einer Fahndungsaktion in Berlin-Schöneberg in der Eisenacher Straße Ecke Fuggerstraße von der Polizei erschossen. Dies geschah während einer Personenkontrolle, die gemeinsam von Polizei und Verfassungsschützern durchgeführt worden ist, als von Rauch mit erhobenen Händen an einer Hauswand gestanden hatte und nach Waffen durchsucht worden war. Dennoch behauptete die Polizei, daß der Schuß durchs Auge, der von einem Beamten in Zivil aus nächster Nähe abgefeuert wurde, in »Putativnotwehr« (Abwehrhandlung in der irrtümlichen Annahme, die Voraussetzungen der Notwehr seien gegeben) erfolgte . Einige Wochen später, am 2. März 1972, wurde in Augsburg Thomas Weißbecker auf offener Straße durch einen Schuß in den Rücken (Herzschuß) getötet. Das Ermittlungsverfahren gegen den Polizeischützen, der aus drei Metern Entfernung schoß, wurde von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg mit der Begründung »Notwehr« eingestellt .

 

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Fußnoten:

   

1.

Ein »Rädelsführer« wird erkannt
Einer der Beamten meinte, einen »Rädelsführer« zu sehen: er trug einen Schnurrbart, ein rotes Hemd und Sandalen ohne Socken. Die Zeugin Erika S. berichtet: »Der Mann im roten Hemd stand mit dem Gesicht Richtung Krumme Straße im Garagenhof des Hauses Krumme Straße 67 hinter einem Volkswagen. [...] Er versuchte offensichtlich, die Straße zu erreichen. Zwei uniformierte Beamte rechts und links in Höhe der hinteren Sitzreihe des VW versuchten ihn daran zu hindern. [...] Von hinten tauchte plötzlich ein uniformierter Beamter auf und schlug dem Mann im roten Hemd mit dem Schlagstock von hinten auf den Kopf. Der getroffene sank langsam in sich zusammen, und nun kamen die beiden Polizisten, die erst rechts und links des VW's gestanden hatten, hinzu und zu dritt schlugen sie auf ihn ein. [...] Ein Polizist trat auf die rechte Hand und den arm und beide Polizisten rechts und links in die Beckengegend des liegenden. [...] in diesem Augenblick war auch Karl-Heinz Kurras (in Zivilkleidung) von hinten zur stelle, in der Hand eine entsicherte Pistole vom Kaliber 7,65 Millimeter. Die Mündung war kaum einen halben Meter vom Kopf des Demonstranten entfernt, so erschien es jedenfalls den Augenzeugen. Plötzlich schoß er. Die Kugel traf über dem rechten Ohr, drang in das Gehirn und zertrümmerte die Schädeldecke.« Erika S. weiter: »Ich lief zu dem am Boden liegenden jungen Mann und bückte mich links von ihm zu ihm herunter. Als ich zu den Beamten hochblickte, sah ich, daß sie immer noch ihre Schlagstöcke in der Hand hatten und bat sie leise: 'nicht schlagen, bitte holen sie die Ambulanz.' Der Polizist, der links neben dem Mann im roten Hemd gestanden hatte, bewegte sich langsam in Richtung Straße. [...] Ich suchte nach einer wunde und sah, daß eine Platzwunde bis zum rechten Ohr vorhanden war, aus dem Ohr kam Blut. Ich fühlte seinen Puls, er ging schwach, ich öffnete ein Auge und sah keine Pupille. Daraus schloß ich 'Schädelbruch'. Seine Lippen bewegten sich und ich nahm an, er wolle etwas sagen. Ich beugte mich herunter, konnte aber nur ein Röcheln vernehmen...« Benno Ohnesorg wurde in das städtische Krankenhaus Moabit gebracht, die Wunde zugenäht und als Todesursache zunächst Schädelbruch diagnostiziert. Der versuch der Stadtregierung, den Schah-Protest polizeilich-militärisch zu lösen, hatte ein Menschenleben gefordert.
(Quelle: http://rafinfo.virtualave.net/pic/docs/ohnesorg.shtml)

   

2.

H.-G. Behr: Von Hanf ist die Rede - Kultur und Politik einer Droge, Reinbeck bei Hamburg 1985; S. 265

   

3.

Der »Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen« figurierte auch unter anderen als Persiflage zu verstehenden Namen wie »Vampivollzugsausschuß«. Vgl.: G. Langer: Der Berliner »Blues« - Tupamaros und umherschweifende Haschrebellen zwischen Wahnsinn und Verstand, in E. Siepmann: Heiß und Kalt. Die Jahre 1945-69, Berlin 1993, S. 649 ff.

   

4.

R. Gössner: Tödliche »Terroristenfahndung« - Polizeiliche Todesschüsse, ihre Ursachen und »Bewältigung« unter den Bedingungen des staatlichen »Anti-Terror-Kampfes«, S. 3, Ergänzungstext zu: R. Gössner: Das Anti-Terror-System - Politische Justiz im präventiven Sicherheitsstaat, Hamburg 1991

   

5.

Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Augsburg - Az. 110 Js 143/72

 


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