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Drug-Checking in den Niederlanden

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Besprechungsprotokoll der Arbeitssitzung
im Büro von August de Loor (Stichting Adviesburo Drugs) in Amsterdam am 15. März 1995.

Eve & Rave e.V. Berlin / Hans Cousto / Berlin 1995
Stichting Adviesburo Drugs/ August De Loor

 

characteristic for dutch drug policy is:
it is not concerned with drugs

August de Loor

 

Besprechungszusammenfassung von Hans Cousto

Besprechungszusammenfassung vom Donnerstag, 16. März 1995 im Büro von August de Loor in Amsterdam. August de Loor gab Auskunft über die SAFE HOUSE CAMPAGNE in den Niederlanden, das DRUG-CHECKING-PROGRAMM und das MONITORING-SYSTEM in Amsterdam.

Auf Seite von »EVE & RAVE« nahmen an der Besprechung teil: Helmut Ahrens, Hans Cousto, Susanne Heinzmann, Uli Röss und Karsten Wack.

 

Drug-Checking

Das Drug-Checking wird anonym für jeden Interessierten durchgeführt, egal ob es sich um Konsumenten, Dealer oder illegale Drogenproduzenten handelt. Mittels Nummer und Codenamen gelangt die Information an den Antragsteller, wahlweise telephonisch, schriftlich oder im persönlichen Gespräch.

Das "basic word" des Drug Checking ist "give service", das heißt, die Grundlage des Drug-Checking (Dogentestens) ist das Leitmotiv: eine Dienstleistung erbringen. Nur so kann das Vertrauen der Konsumenten, Dealer und Produzenten gewonnen werden. Dieses Vertrauen ist wiederum die Grundlage des Monitoring, das heißt Hintergründe der Bedürfnisse der Menschen zu erfahren und, auf diese aufbauend, Strategien zu entwickeln, wie eine Schadensminderung im Zusammenhang mit dem Drogengebrauch erreicht werden kann. De Loor verfolgt eine Präventionsstrategie, die an den Bedürfnissen der Menschen orientiert ist. Eine dieser Strategien ist die Safe House Campagne.

Das Drug Checking Programm läuft seit 1988. Das Institut von August de Loor kann also auf weit über ein halbes Jahrzehnt Erfahrung aufbauen. In den letzten 6 Monaten wurden etwa 200 bis 300 Pillenproben getestet und jede Woche kommen etwa 10 bis 12 Proben hinzu. So hat man hierzulande sehr genaue Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung der auf dem Schwarzmarkt angebotenen Drogen.

Die Ecstasyqualität ist vor allem von folgenden Faktoren abhängig:

  1. Ort des Einkaufs und Bekanntheitsgrad des Dealers

    Ecstasy, das beim Freund oder Hausdealer gekauft wird, ist mehrheitlich von besserer Qualität, als Ecstasy, das in einem Club oder auf einem Rave auf dem Dancefloor gekauft wird. Im Club gilt wiederum, daß ein bekannter Haus- oder Clubdealer im allgemeinen sauberen Stoff anbietet, während Fremde oder Neulinge im Geschäft schlechte, d.h. unsaubere Ware feilbieten. Wird ein Clubdealer verhaftet und es rücken neue Dealer nach, dann gibt es zwar nicht weniger Drogen, doch beobachtet man dann häufig eine deutliche Qualitätsminderung. Das gesundheitliche Risiko für die Drogengebraucher ist in so einem Fall erhöht.

  2. Berichterstattung in den Medien

    Die Berichterstattung in den Medien hat einen sehr starken Einfluß auf den Drogenmarkt. Nach Sensationsmeldungen und Horrorgeschichten in TV, im Radio oder den Zeitungen (bullshit in the media) werden deutlich vermehrt schlechte Qualitäten, Placebos oder irgend welche andere Pillen als Ecstasy verkauft. Nach Horrorstories in den Medien muß man leider auch oft eine deutliche Zunahme von Erste-Hilfe-Einsätzen bei Techno- und Houseparties feststellen. Eine fanatische und sensationslüsterne Berichterstattung in Sachen Drogen hat einen direkten und unmittelbaren negativen Einfluß auf die Volksgesundheit.

  3. Aktivitäten der Polizei

    Derzeit findet in den Niederlanden gerade eine parlamentarische Untersuchung betreffs der angewendeten polizeilichen Methoden im Rahmen von Ermittlungen statt. Darum verhält sich die Polizei derzeit sehr zurückhaltend und unternimmt wenig in Sachen Drogenermittlung. Dies macht sich auf dem Ecstasymarkt bemerkbar, denn wenn Ruhe auf dem Markt ist, dann sind die Qualitäten besser, ist der Markt nervös, so kommen mehr chemisch unreine Stoffe auf den Markt.

     

Testmethoden – der Schnelltest (Säuretest) und die Analyse

  1. Der Schnelltest

    Der Schnelltest, auch Säuretest (acid test) genannt, wird vor Ort durchgeführt, das heißt in einem Club oder Technoveranstaltungsort. Hierzu wird ein Teil der Pille fein zermahlen und auf einen weißen Teller gestreut. Auf das Pulver gibt man ein paar Tropfen einer bestimmten Chemikalie und wartet etwa eine Minute. Verfärben sich die Flüssigkeit und das Pulver in die Farbe Orange, so enthält das Pulver ein Amphetamin (speed), verfärbt es sich jedoch in die Farbe Blau, dann handelt es sich um ein psychoaktives Amphetaminderivat wie MDMA, MDE oder MBDB.

    Der Schnelltest gibt also nur Auskunft, ob es sich um ein Amphetamin oder ein Derivat eines Amphetamins handelt. Verfärben sich das Puder und die Flüssigkeit nicht, dann handelt es sich um ein Placebo oder um irgendeine andere Substanz.

    Aufgrund von wöchentlich neu vervollständigten Listen mit genauen Beschreibungen der auf dem Markt vorhandenen Pillen kann nun ein Vergleich mit der im Schnelltest getesteten Pille vorgenommen werden. Die zugezogenen Listen werden aufgrund der genauen Analysen der Drogen zusammengestellt, wobei eine genaue Beschreibung der äußeren Beschaffenheit der Pille (Durchmesser, Dicke, Farbe, Oberflächenstruktur, Bildmotiv, etc.) ebenso in der Liste aufgezeichnet ist wie die genaue chemische Zusammensetzung. So kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden, was für ein Wirkstoff die Pille enthält. Über 95% der auf dem Dancefloor getesteten Pillen sind in den Listen enthalten.

    Ein Schnelltest und der Abgleich mit der Liste kostet 2½ Gulden (inklusive Beratungsgespräch).

  2. Die Analyse

    Wer bis Dienstag seine neuen Pillen in das Büro von de Loor bringt, der bekommt ab Freitag eine genaue qualitative (hinsichtlich der Beschaffenheit) und quantitative (mengenmäßige) chemische Analyse der abgegebenen Pille. So kann der Überbringer genau erfahren, was er für einen Stoff gekauft oder hergestellt hat.

    Der Test erfolgt absolut anonym. Jede abgegebene Pille wird mit einem Kennkode versehen, und wer erfahren will, was in der Pille ist, muß einmal den Kennkode kennen und des weiteren einen Codenamen, der bei der Abgabe abgesprochen wird.

    Wichtig für die Erkundung des Marktes ist weiter, wo diese Pille gekauft, respektive hergestellt wurde, unter welchem Namen sie verkauft wurde und was beim Verkauf angegeben wurde, was sie enthält. So kann zwischen Dichtung und Wahrheit in Sachen Drogengebrauch und Drogenmißbrauch unterschieden werden und so ist es auch möglich, Erfahrungsberichte eindeutig bestimmten chemischen Substanzen zuzuordnen. So, und nur so, können die spezifischen Wirkungsunterschiede verschiedener Amphetaminderivate auf breiter Ebene untersucht werden.

    Das Analysesystem ist ein technisches System, in dem nicht nur die Qualität der im (Schwarz-)Handel erhältlichen Drogen festgestellt werden kann, sondern auch der Übereinstimmungskoeffizient von der Aussage (story) über die Wirkung einer Droge und den Inhaltsstoffen der Droge selbst.

    Die chemische Analyse (Labortest) kostet 25 Gulden. Wöchentlich werden etwa 10 bis 12 Proben zum Testen abgegeben. Die eigentlichen Kosten für den Test sind natürlich wesentlich höher (etwa 100 bis 200 Gulden). Der Staat (Gesundheitsministerium) übernimmt die nicht von der Klientel zu bezahlenden Kosten (ca. 100 000 Gulden pro Jahr).

    Es gibt wohl kein anderes Land auf der Welt, das über so viele und so genaue Kenntnisse bezüglich der auf dem Schwarzmarkt angebotenen und erhältlichen Drogen verfügt, wie das Königreich der Niederlande.

 

Monitoring und das Frühwarnsystem

  1. Monitoring
    Informationsbeschaffung und verfügbare Informationen

    Jede Woche werden 10 bis 12 (neue) Pillensorten im Labor getestet und analysiert. Die Resultate werden mit früheren Analysen verglichen und in einer Tabelle eingearbeitet, in der alle im letzten halben Jahr getesteten Pillen (und Pulver aus Kapseln) aufgelistet sind. Termin für die Abgabe der Pillen zum Testen ist jeweils der Dienstag, am Freitag wird jeweils die neue Liste zusammengestellt. Wenn die Parties am Freitag beginnen, ist die Zusammensetzung der Pillen des letzten Wochenendes bekannt. Vor besonders gesundheitsschädlichen kann somit gewarnt werden.

    Im Rahmen der Safe House Campagne werden oft (bisher an über 300 Houseparties) Pillen einem Schnelltest unterzogen und mit den Listen verglichen. Wenn auf den Parties neue Pillen auftauchen, werden diese von den Mitarbeitern der Safe House Campagne vor Ort gekauft und in der folgenden Woche getestet. Die genauen Resultate stehen dann eine Woche später zur Verfügung.

  2. Frühwarnsystem

    1. Flugblätter

    Pillen, die etwas anderes enthalten, als MDMA (reines Ecstasy), oder die eine zu hohe Dosis MDMA enthalten, werden in stets neu publizierten Flugblättern beschrieben (Auflage bis 100.000 Exemplare).

    Enthalten sie z.B. LSD, MDE, MDEA, DMT oder anderes mehr, so wird dies auf den Flugblättern angegeben. Enthalten Pillen gefährliche Substanzen in gesundheitsgefährdenden Dosen, so wird auf den Flugblättern nachdrücklich vor dem Kauf und Gebrauch dieser Pillen gewarnt.

    Diese Flugblätter werden an Clubs und einschlägigen Lokalen verteilt, so daß die Konsumenten sich informieren können. Besonders wichtig ist, daß die Türsteher an den Technoläden diese Flugblätter erhalten, da diese die Besucher warnen können und beim Einlaß die gefährlichen Drogen den Besuchern abnehmen. Bei Safe House Parties sind die Türsteher angewiesen, mit den Besuchern zum Info- und Teststand der Safer House Campagne zu kommen, damit diese die Drogen zur Untersuchung abgeben können und vor allem auch Auskunft geben können, unter welchem "Markennamen" und wo sie diese Drogen gekauft haben. Es ist selbstverständlich, daß das Gespräch anonym verläuft und alle Informationen streng vertraulich behandelt werden. Niemand muß auch nur im geringsten befürchten, daß Polizei oder Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Es gelten hier die gleichen Regeln, wie beim Arztgeheimnis.

    1. Presse-, Radio- und TV-Mitteilungen

    Wenn besonders gefährliche Pillen auf dem Markt sind, zum Beispiel atropinhaltige Pillen, dann wird ein Pressekommuniqué ausgegeben und die Zeitungen drucken die Warnung ab. Es gibt diesbezüglich feste Vereinbarungen mit der Presse, als auch mit Radio- und TV-Sendern.

    Zusätzlich werden auch Flugblätter bedruckt und in allen Regionen verteilt, in denen diese gefährlichen Schwarzmarktprodukte auftauchen. Auf dem Lande verteilt auch die Polizei diese Flugblätter!

 

Drug Checking: Dealer- und Produzenten- Level

  1. Dealerlevel

    Bringen Dealer verunreinigte oder gefährliche Pillen zum Drogentest, werden sie nach der Herkunft der Tabletten befragt, respektive damit beauftragt, daß der Lieferant sich mit dem Büro von August de Loor in Verbindung setzen kann. Nennt ein Dealer den Namen seines Lieferanten im Büro von August de Loor (das gleiche gilt auch zum Beispiel für das Jellinekzentrum), so hat das keinerlei juristische Konsequenzen, weder für den Dealer, noch für den Lieferanten. Alle Informationen werden vertraulich behandelt.

    Je höher man in der Dealerhierachie ankommt, um so größer ist die Chance, daß bestimmte schlechte Pillen vom Markt verschwinden, denn jeder Dealer kann die Drogen mit dem Verweis auf den Test seinem Lieferanten zurückgeben und gegen andere austauschen. Schließlich wird der Abnehmer vom Hersteller (Produzent) die Ware dem Hersteller zurückbringen und dieser wird sich bemühen müssen, saubere Ware herzustellen, wenn er im Geschäft bleiben will.

  2. Produzentenlevel

    Es gibt drei Arten von Produzenten illegaler Drogen.

    Die erste Art bringt Proben der gefertigten Drogen selbst aus eigenem Antrieb zum Test. Diese Produzenten wollen von sich aus stets ihre Qualifikation überprüfen lassen und sicher sein, daß ihnen bei der Produktion kein Fehler unterlaufen ist, zum Beispiel auch, ob die Dosierung genau ist.

    Die zweite Art von Produzenten kommt mit ihren Pillen zum Test, weil ihre Abnehmer (Kunden) sie dazu aufgefordert haben. Auch hier bildet sich dann öfters eine gute Zusammenarbeit heraus und diese Produzenten werden Dauerklientel im Büro von August de Loor.

    Die dritte Art von Produzenten kommt nicht direkt freiwillig zum Test ihrer Produkte, sei es, weil sie nicht wollen, sei es, weil sie nicht auffindbar sind. Doch auch hier gibt es Möglichkeiten, etwas für den Konsumentenschutz zu tun. Ein Beispiel:

    Auf dem niederländischen Drogenmarkt wurden im vergangenem Jahr zahlreiche weiße Pillen gefunden, die 240 Milligramm reines MDMA enthielten. Diese Dosis ist etwa doppelt so groß, wie eine gute Portion Ecstasy normalerweise enthält. Gebraucher mußten vor einer Überdosierung gewarnt werden, die Pillen wurden auf den Flugblättern als gefährlich beschrieben. Da der Produzent unbekannt war, wurden in Zeitungen Inserate gedruckt. Solche "Aufrufinserate" haben z.B. folgende Texte:

    An den Produzenten der kleinen weißen MDMA-Pillen, (auf beiden Seiten leicht abgerundet und mit einer Mittelrille auf der einen Seite). Diese Tabletten sind viel zu hoch dosiert, so daß die Gebraucher der Pillen mit ernsthaften Problemen rechnen müssen. Überprüfe die Dosierung und setze diese herab. N.I.A.D. DIMS project, PO Box 4055, 3500 BV Utrecht.

    Anfänglich zögerte die Presse, solche Inserate abzudrucken, doch inzwischen wissen die Zeitungen, daß es hierbei nicht um ein Drogengeschäft geht, sondern um den Erhalt der Volksgesundheit. So werden derzeit solche Inserate nach Bedarf in allen regionalen und überregionalen Zeitungen abgedruckt, viele Zeitungen machen dies inzwischen auch kostenlos als Beitrag zur Volksgesundheit. Zum Glück müssen solche Aktionen nicht oft, sondern nur alle paar Monate, durchgeführt werden.

    In diesem Fall hat der Produzent sich mit dem angegebenen Büro des NIAD (Nederlands Instituut voor Alcohol an Drugs) in Verbindung gesetzt und danach mit dem Büro von August de Loor. Es wurde dann vereinbart, daß der Produzent seine Ware zurücknimmt, die Pillen halbiert und neu einfärbt, damit sie anders aussehen, als die auf dem Flugblatt beschriebenen, vor denen gewarnt wird.

    Mehrheitlich kommt es zu einer Einigung zwischen Produzent und dem Büro de Loor, denn wenn der Produzent nicht mitspielen will, stehen seine unsauberen Produkte auf den Warnflugblättern und sind somit, zumindest in den Niederlanden, so gut wie unverkäuflich.

     

Der Service

Das Drug-Checking ist eine Dienstleistung für den Verbraucher und die gewonnenen Daten sind die Grundlage für zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die im Rahmen der Präventionsarbeit genutzt werden können, und dienen weiterhin als Grundlage für die Entwicklung von Strategien zur Förderung der Volksgesundheit.

Der Verbraucher erfährt, welches besondere Risiko er eingeht, wenn er bestimmte auf dem Schwarzmarkt angebotene Pillen konsumiert, und er weiß genau, was er gekauft und/oder schon konsumiert hat, und kann so auch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen (Drogen) auf sein persönliches psychophysisches Wohlergehen genauer kennen lernen. Die Wirkung von Drogen wird so von den Verbrauchern bewußter wahrgenommen.

Die Pillentests und die vielen Gespräche mit Verbrauchern, Dealern und Herstellern ermöglichen es, das nötige Datenmaterial zu sammeln, um das sogenannte Monitoring durchzuführen.

 

Monitoring

Monitoring bedeutet hier in erster Linie: Trends feststellen und beobachten. Es geht dabei nicht nur um Drogen, doch an der Nachfrage von bestimmten Drogen und ihrer Verbreitung lassen sich viele sehr präzise Rückschlüsse auf soziale und kulturelle Trends im Lande ziehen. Dadurch ist es möglich, frühzeitig auf Trends zu reagieren und auch präventiv auf soziale Spannungen zu reagieren, damit diese nicht eskalieren.

Minderheitenpolitik

  1. Ethnische Bevölkerungsstruktur in den Niederlanden

    Die Niederlanden werden von einer Vielzahl ethnischer Gruppen bevölkert. Jede Gruppe hat einen eigenen kulturellen Hintergrund.

    Durch ein gezieltes Monitoring können Unterschiede in den Normen und Gebräuchen der einzelnen Gruppen festgestellt werden. Ein einfaches Beispiel soll hier die Methodik aufzeigen.

    Vergleicht man die repräsentativen Zahlenverhältnisse der ethnischen Zusammensetzung aller Schüler und Lehrlinge in Amsterdam mit denen der Besucher von Coffeeshops, dann kann man sehr schnell erkennen, für welche der Gruppierungen das gesellige Beisammensein beim Haschischrauchen von großer Bedeutung ist.

    Die folgende Tabelle zeigt in Spalte 1 die ethnische Gruppe, in Spalte 2 den prozentualen Anteil, die die Gruppe an Schülern und Lehrlingen stellt (von der Gesamtzahl aller Schüler und Lehrlinge in der Stadt Amsterdam), die Spalte 3 den Anteil der Gruppe, die regelmäßig Coffeeshops besucht und die Spalte 4 das Über- und Unterrepräsentiertsein der Gruppe in den Coffeeshops.

    Ethnische Gruppe

    Schüler und Lehrlinge

    Coffeeshop- Besucher

    Gewichtung

    Niederländer
    65 %
    55 %
    -10 %
    Surinami
    10 %
    14 %
    +4 %
    Marokkaner
    9 %
    16 %
    +7 %
    Türken
    5 %
    3 %
    -2 %
    Antillen
    2 %
    5 %
    +3 %
    Übrige
    10 %
    7 %
    -3 %
    Zahlen entnommen aus "Antenne 1994", Trends in alcohol, tabak, drugs en gokken bij jonge Amsterdammers

    Aus dieser Zahlenzusammenstellung kann man ersehen, daß Marokkaner (+7%) das gesellige Beisammensein beim Haschischrauchen weit mehr lieben als zum Beispiel die jungen Türken (-2%), die wohl mehr im Familienkreise ihren Joint rauchen.

  2. Drogen und ethnische Minderheiten

    In gleicher Weise können Trends auch bezüglich anderer Drogen genau beobachtet und analysiert werden. So ist das Monitoring nicht nur nutzbar für die Drogenprävention und Gesundheitspolitik, sondern auch ein Indikator für soziale Veränderungen im Lande, was bei der multikulturellen Struktur der Niederländischen Bevölkerung recht bedeutsam sein kann.

    In Amsterdam, vor allem in den Neubauvierteln, leben eine unbekannte Anzahl von Flüchtlingen aus Ghana, von denen eine größere Anzahl illegal dort lebt. Wenn in diesen Gruppierungen die Anzahl der Heroinkonsumenten sinkt und die Zahl der Neueinsteiger zur Droge Heroin auf Null sinkt, dann heißt das nicht nur, daß die Drogenpolitik erfolgreich ist, sondern auch, daß die Flüchtlingspolitik und die Integrationspolitik eine menschenwürdige Basis hat und erfolgsversprechend verläuft.

    Das Monitoring im Bereich Drogen verhilft zu einem präzisen Spiegel der verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen und ist ein Frühwarnsystem für soziale Spannungen, auf die rasch reagiert werden kann. Die niederländische Drogenpolitik ist eine Präventionspolitik, die nicht nur im Drogenbereich, sondern in der gesamten sozialen Infrastruktur greift.

Drogenpolitik und Ecstasy

  1. Trendforschung

    Genaue Untersuchungen der Qualitäten von Ecstasys zeigen deutliche Unterschiede der verschiedenen Dealergruppen. Dealer, die privat verkaufen, verfügen öfters über bessere Qualitäten als Dealer, die in Clubs verkaufen. Auch Konsumenten, die ihre Pillen (Drogenproben) zum Büro von August de Loor oder zum Jellinekzentrum tragen, damit sie dort einem Test unterzogen werden, verfügen statistisch gesehen weit öfters über bessere Qualitäten als Konsumenten, die ihre Drogen auf einer House Party zum Schnelltest bringen.

    Die folgende Tabelle zeigt den oben beschriebenen Zusammenhang auf. In der ersten Spalte ist der Inhaltsstoff der als Ecstasy ge- und/oder verkauften Pille aufgeführt. In der 2. Spalte der Anteil in Prozent von Pillen mit diesem Inhaltsstoff von auf House Parties getesteten Pillen, in der 3. Spalte von im Jellinekzentrum und im Büro August de Loor abgegebenen Pillen und in der 4. Spalte die prozentuale Differenz (Gewichtung).


    Inhaltsstoff

    House Party

    Bürobesucher

    Gewichtung

    MDMA
    40 %
    55 %
    +15 %
    MDEA
    32 %
    14 %
    -18 %
    MDA
    3 %
    4 %
    +1 %
    Speed
    14 %
    11 %
    -2 %
    Zahlen entnommen aus "Antenne 1994", Trends in alcohol, tabak, drugs en gokken bij jonge Amsterdammers und Jellinek Preventie en Consultancy (JPC bulletin 4), September 1994.

     

    Hier zeigt sich deutlich, daß der Drogengebraucher besser bei seinem privaten Bekannten seine Drogen kauft, als beim Dealer im Club, da die Wahrscheinlichkeit, reines MDMA zu erhalten, wesentlich größer ist. Im 3. Quartal 1994 schien sich dieser Trend noch zu verstärken, da von den in den Büros abgegebenen E-Pillen laut "Antenne 1994" etwa 64 % reines MDMA enthielten, 19 % MDEA, 2 % MDA und 8 % Speed. Die Wahrscheinlichkeit im 4. Quartal 1994, reines MDMA zu erhalten, war beim privaten Hausdealer um ganze 24 % größer als beim Clubdealer.

  2. Präventionsstrategie

    Leitmotiv der niederländischen Drogenpolitik und Präventionsarbeit ist die Schadensminderung aus kriminologischer, sozialer und gesundheitlicher Sicht, sowie die allgemeine Schonung der Gesundheit (psychisch wie physisch) und soziale Sicherheit der Drogengebraucher. So reicht die Drogenpolitik weit über den Bereich Volksgesundheit hinaus und dient somit vornehmlich auch der Erhaltung des sozialen Friedens im Lande.

    Der private Hausdealer mit einer treuen Stammkundschaft ist nicht in erster Linie kriminell, sondern vollbringt eine Dienstleistung, für die es ein Bedürfnis gibt, er verkauft eine Ware, für die eine rege Nachfrage besteht. Der Hausdealer wird bemüht sein, seinen Kunden reinen Stoff zu verkaufen, damit die Kunden ihm treu bleiben, der Kunde bezahlt seine Rechnung, damit er weiterhin dort seinen guten Stoff kaufen kann. Die Hausdealerszene hat nichts mit der kriminellen Szene zu tun.

    Läßt man den Hausdealer gewähren, dann hat man auch die Gewähr, daß seine Kunden nicht in ein kriminelles Milieu abwandern, um dort sich die gewünschten Drogen zu kaufen. Die Gefahr, daß Kunden von privaten Hausdealern zu echten Suchtmitteln greifen, ist als sehr gering einzuschätzen, im kriminellen Milieu hingegen werden diese Kunden oft zum Konsum solcher Suchtmittel verführt, da hier nicht die Dienstleistung am Kunden im Vordergrund steht, sondern die Gewinnmaximierung.

    Die hohe Toleranz gegenüber Drogenkonsumenten und die Akzeptanz ihres Brauchtums hat zu einer deutlichen Entschärfung der Drogenproblematik in den Niederlanden geführt. Die Zahl der Süchtigen ist seit Jahren rückläufig, die Zahl der HIV-Infizierten liegt weit unter dem Durchschnitt der Europäischen Union und was die Volksgesundheit anbelangt, so gehört die Niederlande nach Statistiken der WHO (Weltgesundheitsorganisation), zu den gesündesten Ländern der Welt.

     

Safe House Campagne – Safe House Campagne in Zahlen

  1. Veranstaltungen und Besucher

    Im Zeitraum von 1988 bis Juni 1993 haben in den Niederlanden etwa 1000 House Parties mit durchschnittlich 1500 Besuchern stattgefunden. Vor allem auf größeren Parties (etwa 300 an der Zahl) mit durchschnittlich 4000 Besuchern war die Safe House Campagne anwesend und hat ihre Dienstleistungen angeboten. Insgesamt hat somit die Safe House Campagne etwa 1,2 Millionen Besucher als Betreuungspotential in ihrer Verantwortung gehabt.

    Den Beobachtungen zu Folge sind etwa 50 % der Besucher als richtige Raver zu betrachten, also als Menschen, die in erster Linie wegen des Tanzens zu House- und Technomusik an die Veranstaltungen kommen. Diese Menschen sind im allgemeinen auch Stammgäste auf den Parties und man kennt sie mehr und mehr. Die anderen 50 % sind seltene Partygänger, also Menschen, die eher zufällig auf eine solche Party kommen oder die einfach einmal die Houseszene kennen lernen wollen. Diese Menschen kann man gut von den echten Ravern unterscheiden, vor allem was den Habitus auf dem Dancefloor anbelangt.

    In den letzten Monaten ist die Raveszene eher etwas angewachsen, so daß man die Zahl der echten Raver in den Niederlanden irgendwo zwischen 60 000 und 80 000 einschätzen muß.

  2. Die Problemfälle in Zahlen

    An den Safe House Parties gibt es immer einen Servicestand der Safe House Campagne, wo Ratsuchende sich informieren können, wo Hilfe angeboten wird, sei es aus psychischen (Angstzustände, Verwirrung, Depressionen) oder physischen (Körperverletzungen, Übelkeit) Gründen und wo auch Drogenschnelltests durchgeführt werden.

    Durchschnittlich kommen, außer den ratsuchenden Menschen und solche, die ihre Pillen testen lassen wollen, etwa 30 Personen mit Problemen an den Stand. Die Großzahl der Probleme lassen sich vor Ort leicht regulieren.

    Etwa die Hälfte der Probleme sind rein körperlicher Natur: Verletzungen wegen Ungeschicklichkeit oder Drängeln am Eingang. Auch zuviel Alkohol ist ein Problem, betrifft aber weniger die echten Raver als die Zufallsgäste. Erst an vierter Stelle kommen die eigentlichen Drogenprobleme der Raver. Diese werden zumeist durch Drogenmischkonsum ausgelöst und verursacht. Zumeist spielen Speed (Amphetamine) und Alkohol dabei die ausschlaggebende Rolle.

    Wenn an 300 Parties jeweils etwa 30 Menschen Hilfe benötigen, dann sind das auf 1,2 Millionen Besucher gerade 9000 Besucher (0,75 %). Die Zahl der Hilfebedürftigen auf Houseparties kann als sehr gering bezeichnet werden und liegt garantiert nicht höher als auf jeder anderen Großveranstaltung.

  3. Todesfälle auf Houseparties

    Auf den 300 Safe House Parties waren zwei Todesfälle zu beklagen. Der eine hatte zuviel Alkohol und Speed genommen, der andere Ecstasy mit einem hohen Prozentsatz von MDA. Das Ecstasy war also nicht rein. Beide sind an Herz-Kreislaufversagen gestorben (der eine verstorbene brachte 120 Kg auf die Waage bei einer Körpergröße von 1,60 Meter). Nach Aussagen von Freunden waren beide Todesopfer keine Tänzer und haben auch bei der Veranstaltung nicht getanzt, so daß man sie nicht als echte Raver bezeichnen kann.

    Die Gefahr, daß man sich auf einem Rave oder auf einer Houseparty zu Tode tanzt, muß als sehr gering eingeschätzt werden. In den Niederlanden ist dies bislang nicht vorgekommen. Ob dies auf die Vorkehrungen der Safe House Campagne zurückzuführen ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, doch muß man das als Möglichkeit in Betracht ziehen. Trotzdem wird diese potentielle Gefahr seit Jahren in das Safe House Programm mit einbezogen.

  4. Zusammenfassung

    Die Anzahl der Menschen, die durch Tanzen an Houseparties in Problemsituationen kommen, ist sehr gering (0,75 %), wobei diese Zahl alle Problemfälle enthält, nicht nur die durch Drogen bedingten.

    Die Zahl und Art der Problemfälle auf Houseparties und Raves wiegt nicht die Zahl und Art der entsprechenden Werte bei Popkonzerten oder Fußballveranstaltungen auf. Dort sind weit mehr Problemfälle zu beklagen.

    Das Gerücht, daß man auf Raves und Housparties sich zu Tode tanzt, ist völlig unbegründet und kann mit Zahlen nicht belegt werden. In den Niederlanden ist noch kein einziger Fall dieser Art beobachtet worden.

    Das Gerücht, daß Raves und Houseparties immer gefährlicher werden, kann in den Niederlanden nicht bestätigt werden; es gibt keine Erkenntnisse, die auf einen solchen Trend hinweisen.

    Die Behauptung, daß Raves und Houseparties den Drogenkonsum anheizen, läßt sich mit Zahlen nicht bestätigen. Die Zahl der Raves und Houseparties nimmt in den Niederlanden stets zu, der Drogenkonsum hat sich hingegen stabilisiert, ist sogar vielfach rückläufig.

     

Stuktur der Safe House Campagne

  1. Beratung

    Die Safe House Campagne versteht sich als Dienstleistungsbetrieb und hilft Veranstaltern von Raves und Houseparties, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, damit die Besucher sich wohl und sicher fühlen können und einen angenehmen Abend genießen. Drogen und das Drogentesten spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Die Beratung betrifft alle Bereiche der Veranstaltung: Eingang und Türsteher, Notausgänge, Toiletten, Bedienung und Angebot, Belüftung, Sitzgelegenheiten, Chill Space, etc.

    Nur wenn alle Bereiche an einer Veranstaltung den Richtlinien der Safe House Campagne entsprechen, darf diese mit dem Slogan "Safe House Party" werben. Die Safe House Campagne arbeitet nach dem Prinzip: "They do it, we advice - Sie tun es, wir beraten".

  2. Die Richtlinien

  • Mindestens 1/4 der Türsteher/innen müssen Frauen sein
  • Türsteher/innen müssen über Drogen Bescheid wissen
  • Die Garderobe muß leicht zugänglich sein, keine Extrakosten
  • Lokal, Bar und Toiletten müssen stets sauber sein
  • Alkoholfreie Getränke müssen billiger sein als alkoholische
  • Mineralwasser muß gratis an der Bar abgegeben werden
  • Die Wartezeit an der Bar für Wasser und Säfte muß kurz sein
  • Belüftung muß funktionieren, es darf nicht zu kalt/heiß sein
  • In der Nähe des Dancefloor müssen Sitzgelegenheiten sein
  • Großer Chill-Out-Space muß vorhanden sein, Ruhemöglichkeit
  • Es müssen genügend ruhige Ecken zum Reden vorhanden sein
  • Personal muß auf Notfälle vorbereitet (geschult) sein

    Wenn ein Club oder Veranstalter alle die obengenannten Kriterien erfüllt, dann kann er seine Party als Safe House Party ankündigen. Die Safe House Campagne bekommt in dem Club oder an dem Rave eine ruhige Ecke zur Verfügung, wo deren Mitarbeiter Informationen zu Themen wie Drogengebrauch und Safe-Sex abgeben – in Form von Drucksachen als auch in Form von persönlichen Gesprächen. Dazu gibt es am Stand Kondome (1 Gulden pro Kondom) und die Möglichkeit, Pillen und Pulver testen zu lassen (der Kostenpunkt liegt hier bei 2« Gulden).

    Die Safe House Campagne Crew ist auch auf erste Hilfe im medizinischen Bereich eingerichtet und geschult, so daß Pflaster, Verbandskasten und ein kleines Grundsortiment an Medikamenten verfügbar sind. So kann oft das Herbeirufen eines Arztes vermieden werden.

 

Safe House Campagne als Vertragspartner

  1. Vertragsbedingungen

    Vertragspartner der Safe House Campagne verpflichten sich, sich den oben aufgelisteten Richtlinien anzupassen und die dort angegebenen Vorbedingungen zu erfüllen. Mitarbeiter der Safe House Campagne überzeugen sich vor der Veranstaltung, ob die Location (Veranstaltungslokal) und das dort arbeitende Personal den Richtlinien entspricht und die Vorbedingungen erfüllt. Wenn dies der Fall ist, wird mit dem Veranstalter ein Vertrag abgeschlossen. Dann darf der Veranstalter die Party als Safe House Party ankündigen.

    Einen Raum oder eine ruhige Ecke muß der Veranstalter für die Mitarbeiter der Safe House Campagne zur Verfügung stellen, damit diese dann dort ihren Informationsstand aufbauen können.

    Die Mitarbeiter der Safe House Campagne sind dann an der Safe House Party anwesend und betreuen dort ihren Informationsstand und verteilen Aufklärungsmaterialien in Sachen Drogen und Safe-Sex. Des weiteren stehen sie für Gespräche und Erste Hilfe Leistungen zur Verfügung und führen auch Schnelltests von Pillen durch.

  2. Kosten

    Der Veranstalter zahlt der Safe House Campagne ein Entgelt für deren Leistungen von 500 bis 2000 Gulden, je nach Größe und Art der Veranstaltung.

    In den Niederlanden gilt der Name Safe House Party als ein Markenzeichen für eine Party von hoher und guter Qualität und die Besucher wissen, daß sie dort ihre Drogen testen lassen können und sonstige Fachinformationen bekommen können.


Text zusammengestellt auf Grundlage des Gesprächsprotokolls und unter Verwendung der folgenden Literatur:

  • Safe House Campagne, Verslag van een contradictie. Adviesburo Drugs – August de Loor, Amsterdam, Herbst 1992
  • Op Houseparties Dansen Mensen Zich Letterlijk Dood. Adviesburo Drugs – August de Loor, Amsterdam, Juni 1993
  • De Risicos's Van XTC-Gebruik. Adviesburo Drugs – August de Loor, Amsterdam, August 1993
  • The Drug XTC Does Not Exist, a survay. Adviesburo Drugs – August de Loor, Amsterdam, Dezember 1991
  • Antenne 1994, Trends in alcohol, tabak, drugs en gokken bij jonge Amsterdammers
  • Dirk J. Korf, Ton Nabben, Madelon Schreuders – Jellinekreeks 3. Amsterdam, januar 1995
  • XTC - JPC (Jellinek Preventie en Consultancy) bulletin 4, Amsterdam, September 1994

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