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Bedingungen für eine innovative regionale Drogenpolitik in Deutschland

Zusammenfassung der Policy-Netzwerkanalyse
von Rüdiger Schmolke
Kurzbericht, Sommer 2000


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  5.   Regionale Partydrogenpolitiken im Vergleich

Für die Analyse wurden hier drei deutsche `Drogenmetropolen´ herangezogen. Ein Vergleich der Partydrogenpolitik dieser drei Städte erscheint sinnvoll, da die Drogenpolitik überall eine ähnlich hohe Relevanz besitzt, Daneben waren und sind sie als `Technohochburgen´ ebenso allesamt vom `Partydrogen-Phänomen´, dem stark gestiegenen Konsum und der schlagartig gestiegenen Medienaufmerksamkeit um Partydrogen, in besonderer Weise betroffen. Das `Partydrogen-Problem´ der staatlichen Politik, also der dringende Bedarf, dem `Partydrogen-Phänomen´ adäquate Maßnahmen entgegenzusetzen, nahm zudem zu etwa gleichen Zeitpunkten ähnliche Ausmaße an. Jedoch unterscheidet sich die Drogenpolitik der drei Städte im Hinblick auf die Durchsetzung innovativer Maßnahmen im regionalen Kontext beträchtlich.

Auf der Basis von Tiefeninterviews mit Experten aus dem drogenpolitischen Bereich und mit Initiatoren von Projekten im Partydrogenbereich wurden zum einen regionale Koordinationsstrukturen und typische Kooperationsmuster, zum anderen diskutierte Vorschläge und Maßnahmen zur Entwicklung eines bedürfnisgerechten Angebots erschlossen. Daneben wurden projektbezogene Quellen und Parlamentsdokumente ausgewertet.

Damit eine systematische Analyse gewährleistet werden konnte, wurden die verschiedenen Einflussfaktoren auf die regionale politische Regelungsform im Partydrogenbereich durch Erstellung eines Variablen-Sets (vgl. Héritier et al. 1994) als unabhängige Variablen gekennzeichnet. Im Zuge eines mehrstufigen Verfahrens konnte auf diese Weise zwischen netzwerkspezifischen Aspekten, externen regionalen Einflussfaktoren und regional übergreifenden Rahmenbedingungen unterschieden werden.

Die politische Regelungsform im Partydrogenbereich wurde anhand der Unterschiede in den verschiedenen Regionen in sechs Dimensionen analysiert: Die Unterschiede in den politisch-administrativen Strukturen, die staatlicherseits verwendeten Steuerungsinstrumente, die staatlichem Handeln zugrunde liegende Problemlösungsphilosophie, das Zusammenwirken zwischen Staat und privaten Organisationen, die Rolle der privaten Organisationen im Prozess der Interessenaggregation und die Bedeutung von Mediatoren.

Neben regionalen netzwerkspezifischen Bedingungen sind für die Herausbildung unterschiedlicher Problemsichtweisen bezüglich des Partydrogengebrauches und der Durchsetzung verschiedener Problemlösungsansätze (Policy-Optionen) eine Vielzahl anderer Faktoren verantwortlich, die sowohl regional spezifischen wie auch regional übergreifenden Charakter haben können. Diese externen Faktoren wurden ebenfalls als unabhängige Variablen konzipiert.

Entsprechend dem theoretischen Modell und da den staatlichen Akteuren bei der Durchsetzung drogenbezogener Maßnahmen eine besondere Rolle zukommt, die sich aus den Rahmenbedingungen der Drogenpolitik ableiten lässt, bildete ihr Agieren innerhalb des untersuchten Themenbereiches, insbesondere in der Wahrnehmung ihrer Koordinationsfunktion und gegenüber den gesellschaftlichen Akteuren, das Kernstück der Analyse.

 

 

 

  6.   Ergebnisse

In der Analyse der drei Städte zeigen sich unterhalb der formalrechtlichen Ebene erhebliche Unterschiede in der politischen Regelungsform, die bis zum Ende der 90er Jahre formuliert wurde. Da sich im Verhalten der staatlichen Akteure im Koordinationsbereich ebenfalls große Unterschiede in gleicher Richtung zeigen, andere Einflussfaktoren dagegen eine deutlich geringere Rolle spielten, konnte die Ausgangsvermutung empirisch untermauert und Zusammenhänge zwischen den gewachsenen regionalen drogenpolitischen Strukturen, der Aufgabenbearbeitung durch die staatlichen Akteure und der Entwicklung innovativer Problemlösungsansätze aufgezeigt werden.

Während in Frankfurt ein deutliches Bemühen der federführenden behördlichen Stelle zu erkennen ist, mit allen beteiligten relevanten Problembearbeitern - aus dem professionellen Präventionsbereich ebenso wie mit den Selbstorganisationen aus der Technoszene - zu kooperieren und schon 1995 ein zentrales, kontinuierlich zusammenarbeitendes Gremium installiert wurde, das der Klärung des Bedarfs an Drogenarbeit in der Technoszene, der Diskussion zu ergreifender Maßnahmen und dem fachlichen Austausch dient, fehlen in den anderen Städten derartige Mechanismen.

Die staatlichen Akteure in Frankfurt übernehmen deutlich die Rolle eines aktiven Vermittlers und leisten so strukturelle Vorarbeiten zur Intensivierung des fachlichen Austauschs und der gemeinsamen Entwicklung von Problemlösungsstrategien und -maßnahmen durch konkurrierende Projekte und Träger. Dies im Wesentlichen auch nach dem Wechsel im Gesundheitsdezernat und der Übernahme des Amtes durch die CDU.

Das Frankfurter Drogenreferat selbst verhält sich in vielerlei Hinsicht nicht als richtungweisende Autorität, die die Durchsetzung einer zuvor festgelegten partydrogenpolitischen Strategie verfolgt. Ziel ist vielmehr die Diskussion verschiedener Maßnahmen und Einigung der involvierten Netzwerk-Akteure auf verbindliche Strategien bezüglich der Partydrogen-Thematik, wobei dem Drogenreferat selbst eine Rolle als Impulsgeber zufällt. Als ein Ergebnis lässt sich das im Frankfurter Arbeitskreis 1999 gemeinsam beschlossene Positionspapier (AK JDS 1999) anführen, in dem alle Beteiligten weithin für eine Öffnung der Jugend- und Drogenhilfe für den Akzeptierenden Ansatz votieren. Eine entsprechende Anerkennung des Harm Reduction Approach im Bereich der Suchtprävention scheint Ende der 90er Jahre in keiner der beiden anderen Städte realisiert.

Durch die enge Verbindung des Arbeitskreises zum federführenden Koordinationsgremium für die gesamte Frankfurter Drogenpolitik, der Montagsrunde, ist es möglich, gemeinsam erarbeitete Ergebnisse und Forderungen an höhere Instanzen (einschließlich der Leitung des Gesundheitsdezernats) weiterzuleiten. Auf diesem Wege werden problemlösungsorientierte Verhandlungen gefördert und Kooperationen unter den Partydrogen-Akteuren ermöglicht. Zudem bricht die generelle Gleichbehandlung der involvierten Akteure durch die staatlichen Stellen die Konkurrenzsituation zwischen freien Trägern und Szeneorganisationen auf und fördert gegenseitige Lernprozesse unter den Beteiligten.

Die Arbeit des Arbeitskreises führte zur Entwicklung und Verbesserung eines bedürfnisorientierten Angebots, das sich an der Einbeziehung der Szeneorganisation safe party people/ALICE in die staatliche Regelfinanzierung am deutlichsten äußert. Außerdem scheinen Kooperationen wie gemeinsame Aufklärungsveranstaltungen, Vorbereitung und Ausrichtung von Tagungen, Kongressen usw., zwischen den Partydrogen-Akteuren in Frankfurt weitaus einfacher initiierbar und leichter durchführbar als in den anderen Städten.

Leitet man aus den vorliegenden Ergebnissen der Analyse Vermutungen über künftige Entwicklungen im Drogenbereich und insbesondere über die langfristigen Wirkungen des drogenpolitischen Prozesses ab, die sich im Zuge der regionalen partydrogenpolitischen Entwicklungen ausgebildet haben, so lassen sich bezüglich des Zusammenwirkens staatlicher Institutionen mit privater Akteuren im Drogenbereich je Region unterschiedliche Prognosen erstellen.

 


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