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Bedingungen für eine innovative regionale Drogenpolitik in Deutschland

Zusammenfassung der Policy-Netzwerkanalyse
von Rüdiger Schmolke
Kurzbericht, Sommer 2000


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  3.   Die Policy-Netzwerkanalyse als Analysemodell
        der Drogenpolitik

Den theoretischen Rahmen für die vorliegende Untersuchung bildet das Policy-Netzwerkmodell (vgl. Mayntz 1993, 1997a, Scharpf 1993a, 1993b). Ältere Policy-Modelle gehen üblicherweise von einer weitgehenden Definitionsmacht der staatlichen Akteure und möglichen optimalen Steuerung der Problembearbeitung aus. Diese Annahme scheint jedoch den Gegebenheiten der modernen Industriestaaten kaum zu entsprechen. Typisch sind hier vielmehr die Interessenverflechtung und das Zusammenspiel staatlicher und gesellschaftlicher (privater) Akteure, wobei gesellschaftliche Akteure ganze (politisch relevante) Themenbereiche oder gar Sektoren quasi autonom ausgestalten können.

Dem theoretischen Rahmen der Policy-Netzwerkanalyse liegt daher die aus empirischer Sicht eher zutreffende Annahme zu Grunde, dass die Entstehung und Durchführung konkreter Politik stets des (netzwerkartigen) Zusammenwirkens unterschiedlicher staatlicher und nicht-staatlicher Akteure bedarf. Während `klassische´ Policy-Analysen also den öffentlichen Institutionen im politischen Prozess eine dominierenden Rolle zumaßen, definiert die Policy-Netzwerkanalyse staatliches Handeln als Interaktion zwischen relativ autonomen Akteuren aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor.

Dem politisch-administrativen System, das sich im Kern durch die Definition und Durchsetzung übergeordneter Ziele (im Sinne der Steigerung der öffentlichen Wohlfahrt) legitimiert, kommt in diesem Modell eher die Aufgabe effektiver Koordination der komplexen Verhandlungsnetzwerke in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu. Seine Funktion ist es, einen Interessenausgleich unter den Beteiligten derart zu fördern, dass angemessene Sachlösungen möglich werden.

Auf der Suche nach einer adäquaten Problemlösung geht es heute für staatliche Akteure zunehmend weniger darum, formalrechtlich bestehenden Hierarchien entsprechend ganze Politiksektoren inhaltlich auszugestalten. Die qualitativ neue Herausforderung für den Staat besteht darin, über eine Öffnung der staatlichen Entscheidungsträger für die Lösungsvorschläge und Interessen privater Akteure die Koordination und Kooperation zwischen verschiedensten politischen Ebenen, Akteuren und Interessen zu gewährleisten.

Auf diesem Wege können auch auf der materiell-inhaltlichen Ebene effektive Problemlösungsmaßnahmen realisiert werden. Nur so ist es nämlich `dem Staat´ (im Sinne des Gemeinwesens) möglich, vorhandene Ressourcen zusammenzuführen und zu bündeln, um gemeinsam mit allen betroffenen Akteuren eine sachgerechte und, gesamtgesellschaftlich gesehen, optimale Regelung zu erarbeiten.

 

 

 

  4.   Regionale drogenpolitische Netzwerke und ihre Bedeutung
        im drogenpolitischen Prozess

Ziel der durchgeführten Untersuchung war es, die Wechselwirkungen von strukturell-prozessualer (Politics-) und inhaltlicher (Policy-)Ebene im Drogenbereich zu untersuchen, um Wirkungszusammenhänge im Drogensektor beschreiben zu können. Sofern entgegen der formal hierarchischen Struktur im Politikfeld netzwerk-typisches Handeln nachzuweisen und diese Regelungsform langfristig angelegt ist, kann dies als Indikator für gesellschaftliche Modernisierung einerseits und Modernisierung des Staatsapparates durch funktionelle Differenzierung anderseits gedeutet werden (Mayntz 1993: 41f.).

Darüber hinaus ist eine neu entwickelte Regelungsform jedoch nur als Ergebnis eines tiefgreifenden Wandlungsprozesses des staatlichen Selbstverständnisses erklärbar. Zwar ist eine demokratisierende Entwicklung im Sinne größerer Partizipation aus dem Ergebnis der Analyse nicht direkt abzuleiten; jedoch ist es zumindest wahrscheinlich, dass im Zuge eines solchen gesamtstaatlichen Modernisierungsprozesses für innovative Problemlösungsansätze, die auf private Akteure zurückgehen, mehr Realisierungsspielraum entsteht (Huf 1998: 12ff.).

Das Ergebnis der Untersuchung von Kalke/Raschke (1996) legt die Vermutung nahe, dass die eigentlichen Innovatoren der bundesdeutschen Drogenpolitik auf regionaler Ebene zu finden sind, so dass eine Verifizierung der Ausgangshypothese auf dieser politischen Ebene lohnend erscheint.

Ausgangspunkt einer Policy-Netzwerkanalyse sind die am politischen Prozess beteiligten Akteure. Exemplarisch kann ein Themenbereich (Issue) zur Analyse herangezogen werden. Dafür bietet sich im Drogenbereich der in den 90er Jahren neu entstandene drogenpolitische Problembereich Partydrogen besonders an. Denn in sich neu entwickelnden politischen Netzwerken spielen häufig gesellschaftliche Organisationen noch eine Rolle, die sich aus persönlichem Interesse zumeist viel eher als entsprechende professionelle private und staatliche Akteure dem Bereich thematisch annehmen und auf diese Weise beträchtliche Fachkompetenz erlangen können. Im Partydrogenbereich sind dies vor allem Techno-Szeneorganisationen (z.B. in Berlin eve & rave), die seit Jahren erfolgreiche Informations- und Beratungsprojekte betreiben.

Im späteren Verlauf des politischen Prozesses können diese Organisationen vor allem durch die Anwendung staatlicher Sanktionsinstrumente (wie rechtliche Maßnahmen, aber auch die Mittelzuweisung)an den Rand des Netzwerks gedrängt oder nahezu völlig ausgeschlossen werden können. Entspricht diese häufig aufzufindende Entwicklung nicht der Bedeutung dieser Organisationen auf gesellschaftlicher Ebene, hier also vor allem innerhalb der Drogenszenen, geht die Innovationskraft dieser Akteure verloren und steht dem Gemeinwesen nicht mehr zur Verfügung.

Andererseits besitzen innovative Forderungen (wie zum Beispiel der von Techno-Szeneorganisationen vorangetriebene Einsatz von Harm- Reduction- Maßnahmen im Präventions- bzw. Aufklärungsbereich und der stets aufs neue geforderte Einsatz von Drugchecking; vgl. techno-netzwerk berlin 2000) mittel- oder langfristig auch die Kraft zur Durchsetzung auf überregionaler Ebene, wenn es im Zuge der regionalen Politik-Formulierung zu einer Intensivierung des fachlichen Austauschs über die vorgeschlagenen Lösungsansätze und im weiteren Verlauf zu einer erfolgreichen Erprobung auf regionaler Ebene kommt.

 


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