Eve-Rave.net Druckversion - Info
Eve & Rave Archiv (diese Seiten werden nicht mehr aktualisiert)
News Vereine Drug-Checking Kultur Politik Berichte § § Download Presse Safer Use Webverzeichnis

Drogenpolitische Szenarien

Subkommission Drogenfragen der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission


[zurück] [Inhalt] [vor]

 

Szenario 5:   Auf Risikoverminderung und Schadenminimierung ausgerichtete Drogenpolitik (Szenario »Risikoverminderung«)

 

A.   Kurzbeschreibung
Dieses Szenario geht davon aus, dass in unserer Gesellschaft Drogen konsumiert werden. Drogenkonsum findet statt, weil die Wirkung als Genuss erlebt wird oder weil mit der Wirkung von Drogen versucht wird, spezifische Leiden zu lindern, für die man im Augenblick keine besseren Lösungen findet. Ein Teil der Konsumierenden wird durch regelmässigen Konsum süchtig.

Die Drogenpolitik der Risikoverminderung (harm reduction) versucht, praxisorientiert dort zu intervenieren, wo individueller oder öffentlicher Schaden begrenzt und Leid vermindert werden kann. Jede Massnahme, die Verbesserungen für Abhängige und ihr Umfeld bringt und ethisch verantwortbar ist, soll angewendet werden können. Welche Massnahme konkret zu treffen ist, wird nicht auf dem Hintergrund von moralischen Werten, sondern aufgrund nachgewiesener praktischer Wirksamkeit beurteilt. Süchtige werden dabei als Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen nach Hilfestellungen angesehen, denen man nur mit einem diversifizierten Hilfsangebot gerecht werden kann.

Der Konsum wird nicht bestraft, der Besitz und der Kauf für den eigenen Bedarf sowie gegebenenfalls der Kleinhandel durch Süchtige wird durch Einführung des Opportunitätsprinzips geregelt. Die Herstellung und der Handel der heute illegalen Substanzen bleibt jedoch weiterhin verboten und wird verfolgt. Abhängige können die Substanzen bei gegebener medizinischer Indikation erhalten. Die übrigen Konsumentinnen und Konsumenten müssen sich weiterhin auf dem Schwarzmarkt versorgen.

 

 

B.   Elemente

Ziele / Grundwerte
Das Ziel dieses Szenarios ist eine suchtarme Gesellschaft. Der Konsum von Drogen ist unerwünscht. Dort, wo Drogenkonsum aber eine Realität ist, wird er nicht dramatisiert. Ein wichtiges Element ist das Respektieren der gesellschaftlichen, kulturellen und medizinisch-therapeutischen Vielfältigkeit. Die individuelle Verschiedenheit der Menschen und der Situationen, in denen zu Drogen gegriffen wird, wird ernst genommen, und die Drogen werden dementsprechend sowohl gemäss ihrem Gefährdungspotential wie gemäss der aktuellen Konsumsituation differenziert betrachtet. Massstab für eine Intervention ist einerseits die Belästigung der Öffentlichkeit, andererseits der Grad der individuellen Gefährdung. Im Vordergrund steht also die pragmatische Schadensbegrenzung. Gegenüber Abhängigen wird sachlich-nüchtern vorgegangen. Körperliche und seelische Desintegration werden aktiv angegangen.


Prävention
Das Ziel der Prävention ist die Erhöhung des individuellen Verantwortungsbewusstseins und die Schulung der Entscheidungsfähigkeit. Die Prävention ist ursachenorientiert und berücksichtigt dementsprechend neben der Vermittlung von Information gleichermassen Aspekte der Persönlichkeitsbildung wie der gesundheitsfördernden Gestaltung des Umfeldes. Sie ist substanz- und zielgruppenspezifisch breit ausgebaut und zielt auf eine Risikoverminderung in allen Bereichen.


Betreuung und Therapie
Im Betreuungs- und Therapiebereich besteht ein vielfältiges Angebot, das auf die Notwendigkeit individuell unterschiedlicher Therapieansätze ausgerichtet ist. Der Einstieg in die Therapie kann über traditionelle Entzugs- wie auch über soziale Stabilisierungsprogramme erfolgen. Grundsätzlich wird keine Therapieart zum vornherein ausgeschlossen, sofern sie einer wissenschaftlichen Überprüfung standhält. Auch Zwangsmassnahmen im Sinne einer fachlich einwandfrei angezeigten fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE, nach Art. 397a-f ZGB) sind möglich.


Niederschwellige Hilfsangebote
Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, erste Hilfestellungen bezüglich sozialer Integration (Wohnen und Arbeit) sowie Massnahmen der HlV-Prävention werden möglichst nah am sozialen Umfeld der konsumierenden Personen bereitgestellt. Die medizinische Noffallhilfe und die üblichen pflegerischen Massnahmen (z.B. bei Infekten) sind gewährleistet.


Regulierung
Repressionsmassnahmen werden vor allem im Bereich des organisierten Handels mit illegalen Drogen eingesetzt. Massnahmen gegen den Kleinhandel werden pragmatisch zur Verhinderung unerwünschter Auswirkungen getroffen. Rechtlich wird nicht zwischen den einzelnen Drogen unterschieden; es besteht aber eine Prioritätensetzung, welche sich vor allem auf die Bekämpfung des Grosshandels konzentriert. Der Kleinhandel der Abhängigen wird von den Strafverfolgungsorganen toleriert, aber strikte überwacht. Risikoverminderung bedeutet in diesem Zusammenhang, sich vor allem in jenen Bereichen einzusetzen, in denen am meisten Schaden angerichtet wird. Der Drogenkonsum an sich ist nicht strafbar, ordnungspolitische Massnahmen werden aber bei Belästigung des Umfeldes und bei Störung der öffentlichen Ordnung ergriffen. Die medizinisch indizierte Abgabe von Drogen ist möglich. Bei strafrechtlich verurteilten Abhängigen besteht die Alternative der Absolvierung einer Therapie anstelle des Strafvollzugs.


Koordination
Es besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschieden Institutionen, die vom Drogenproblem betroffen sind. Diese betrifft sowohl die Koordination zwischen den staatlichen Instanzen wie auch diejenige zwischen staatlichen und privaten Institutionen. Die Formulierung der Drogenpolitik wird aufgrund von gemeinsam erarbeiteten Modellen durch den Staat festgelegt. Dieser gewährleistet auch die Aufsicht über und die Koordination unter den verschiedenen Institutionen der Drogenhilfe und der Verwaltung.


Rolle des Staates
Dieses Szenario geht von einem aktiven Staat aus, der alle drogenpolitischen Massnahmen aufeinander abstimmt und die der Schadenminimierung dienlichen privaten Projekte unterstützt. Er übernimmt die Promotion neuer Projekte, die Überwachung und Evaluation der bestehenden Programme, die Identifikation von Mängeln sowie deren Behebung.


Aspekte der Finanzierung
Die Finanzierung erfolgt im Prinzip ähnlich wie im bestehenden System. Der Bund unterstützt durch Subventionierung qualitativ hochstehende und innovative Projekte staatlicher wie privater Träger.

 

 

C.   Konsequenzen bei Anwendung des Szenarios in der Schweiz

Prävention
Vor allem die ursachenorientierte Prävention muss mit zielgruppenspezifischen Botschaften ausgebaut werden.


Therapie
Die ambulanten und stationären Angebote müssen sowohl im Bereich der freiwilligen als auch der unfreiwilligen Therapien weiter auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen differenziert werden.


Repression
Die Verfolgung des Drogenkonsums sowie des Kleinhandels durch Abhängige wird eingestellt, respektive nach dem Opportunitätsprinzip gehandhabt, solange er nicht zu Belästigungen führt. Das Schwergewicht liegt noch stärker auf der Verfolgung des Grosshandels mit illegalen Drogen.


Niederschwellige Hilfsangebote
Es erfolgt ein Ausbau niederschwelliger, diversifizierter Kontakt- und Betreuungsangebote ohne unmittelbaren Abstinenzanspruch, die in erster Linie der sozialen Stabilisierung und der HlV-Prävention dienen.


Public Health
Aus gesundheitspolitischer Sicht besteht das Hauptziel dieses Szenarios darin, den Schaden des Drogenkonsums (und zwar bezüglich aller Substanzen) zu verringern. Aus diesem Grund wird ein breites, differenziertes Hilfsangebot bereitgestellt. Der Konsum wird nicht unterstützt. Wo er dennoch stattfindet, müssen Begleitmassnahmen verhindern, dass er die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten gefährdet oder zu Belästigungen des Umfeldes führt.

Die individualisierende Betreuung erfolgt schwergewichtig beim problematischen Drogenkonsum, während im Bereich des weniger problematischen Konsums in erster Linie auf Begleitumstände mit möglichst geringer Gesundheitsgefährdung geachtet wird.


Recht
Die gesetzlichen Grundlagen für die Massnahmen der Schadensbegrenzung sind weitgehend vorhanden. Wünschenswert ist jedoch eine klare gesetzliche Grundlage für Einrichtung, Betrieb und Kontrolle von Fixerräumen. Die Konsumbestrafung hat in diesem Modell keinen Platz, so dass Art. 19 a - c BetmG aufgehoben werden müssen und gleichzeitig für die dem eigenen Konsum dienenden Widerhandlungen gegen Art. 19 Ziff. 1 BetmG das Opportunitätsprinzip einzuführen ist. Ferner muss bei gegebener medizinischer Indikation eine breite, kontrollierte diversifizierte Drogenabgabe ermöglicht werden; dies bedingt die Aufhebung von Art. 8 Abs. 1 lit. b BetmG.


Ökonomie
Stellt man die erwartete Nutzenerhöhung mit den Mehrkosten in Rechnung, schneidet dieses Szenario eher schlecht ab. Während die schwarzmarktinduzierten und die Kosten der Gesetzesanwendung in etwa gleich hoch bleiben, dürften die Kosten für die Prävention, aber auch für die Bereiche Betreuung und Therapie stärker ansteigen. Ferner ist mit zusätzlichen Kosten zu rechnen, welche die Koordinationsmassnahmen zwischen staatlichen und privaten Organisationen verursachen.

 

 

 

Szenario 6:   Drogenlegalisierung und staatlich reglementierte Abgabe (Szenario »Differenzierte Drogenlegalisierung«)

 

A.   Kurzbeschreibung
Der Drogenkonsum wird in diesem Szenario ausdrücklich als gesellschaftliches Problem und als Realität anerkannt. Stark von der Erfahrung des Prohibitionismus geprägt, wird in diesem Szenario die lllegalität gewisser Drogen als ein problemverschärfender Faktor betrachtet, der Suchtverhalten – das ein soziales Problem darstellt – zu kriminellem Verhalten werden lässt. Straffreiheit für den Konsum von Betäubungsmitteln sowie den Besitz, Anbau und Erwerb für den Eigenbedarf leitet sich deshalb logisch von dieser Analyse ab. Die Legalisierung des Anbaus und des Verkehrs mit Cannabisprodukten wird dabei durch einen staatlich reglementierten und kontrollierten Handel mit gewissen Substanzen mit erhöhten Sucht- und Gesundheitsrisiken ergänzt. Das Modell stellt selbstverantwortliche Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund und respektiert unterschiedliche Lebensstile. Wenn ihr Drogenkonsum problematisch wird oder gar in Sucht umschlägt, stehen den Konsumierenden diversifizierte Hilfsangebote zur Verfügung.

 

 

B.   Elemente

Ziele / Grundwerte
Dieses Szenario geht von einer Gesellschaft aus, in welcher das Individuum sowohl Selbstverantwortung als auch Verantwortung für andere wahrnimmt. Die Gesellschaft setzt aber auch Grenzen, bietet Hilfen an und übernimmt dort für andere Verantwortung, wo diese sie selbst nicht mehr übernehmen können. Das Szenario geht von der Tatsache aus, dass es verschiedene Gründe für den Suchtmittelkonsum gibt (Neugierdekonsum, genussorientierter Konsum, Konsum zur Bewältigung von Problemen, etc.). Jede Form von Konsum kann, muss jedoch nicht zu gesundheitlichen und/oder sozialen Problemen führen. Ob es zu solchen Problemen kommt oder nicht, hängt häufig mehr von der Persönlichkeit der Konsumentin oder des Konsumenten und den Rahmenbedingungen des Umfeldes als von der Droge selbst ab.


Prävention
Präventive Massnahmen im Bereich des Konsums aller Drogenarten und insbesondere in bezug auf die Zielgruppe der Jugendlichen haben einen hohen Stellenwert. Die ursachen- und substanzspezifische Prävention wird durch Konsumenteninformation ergänzt. Es bestehen Werbebeschränkungen für psychoaktive Substanzen.


Betreuung und Therapie
Es besteht ein breites und differenziertes Betreuungs- und Therapieangebot auf der Basis von Freiwilligkeit und Selbstverantwortung.


Niederschwellige Hilfsangebote
Da der Umgang mit Drogen reglementiert ist, können die notwendigen Massnahmen der niederschwelligen Drogenhilfe problemios und zielgruppengerecht angeboten werden.


Regulierung
Es wird eine Differenzierung der Drogen nach ihrer Schädlichkeit eingeführt; dies bedeutet die Legalisierung des Cannabismarktes. Dagegen werden als gefährlich eingestufte Drogen wie Heroin und Kokain über Staatsmonopole und damit auch über klar definierte Kontrollorgane zugänglich gemacht. Als besonders schädlich eingestufte Drogen bleiben weiterhin verboten. Die Werbung für Drogen ist verboten. Die Produktqualität der abgegebenen Drogen wird staatlich reglementiert und überwacht. Drogen können mit Bewilligung der staatlichen Kontrollorgane auch ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden, z.B. in Apotheken.


Koordination
Durch die zentrale Stellung des Bundes wird eine bessere Koordination zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Institutionen im Drogenbereich erreicht. Die Kantone passen ihre Drogenpolitik den Vorgaben des Bundes an.


Rolle des Staates
Das Modell ist zentralistisch orientiert. Der Bund fördert und unterstützt aus zweckgebundenen Steuermitteln Präventions- und Therapiemassnahmen und beaufsichtigt die Regulierung des Drogenmarktes.


Aspekte der Finanzierung
Die Finanzierung der drogenpolitischen Massnahmen entspricht grundsätzlich der bestehenden Situation. Als zusätzliche Finanzierungsquelle können auf den staatlich vertriebenen Drogen Konsumsteuern erhoben werden.

 

 

C.   Konsequenzen bei Anwendung des Szenarios in der Schweiz

Prävention
Die Information und die ursachenorientierte Prävention müssen ausgebaut werden und sich auf legale wie gegenwärtig illegale Drogen beziehen.


Therapie
Aufrechterhalten eines breiten und differenzierten ambulanten und stationären Angebotes.


Repression
Verlagerung von der Durchsetzung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel auf die Durchsetzung des staatlichen Drogenmonopols (Fernhalten aller illegalen Anbieter). Das Modell verspricht eine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden von Beschaffungsdelikten. Zudem wird erwartet, dass der illegale Drogenhandel und die damit verbundenen Folgen reduziert werden. Inwieweit die heute illegalen Anbieter auf andere Zielgruppen und neue Produkte ausweichen werden, kann nicht vorausgesagt werden.


Niederschwellige Hilfsangebote
Das Angebot an Überlebenshilfe kann angepasst werden, weil die Drogen und die zum Konsum notwendigen Hilfsmittel von Fachleuten abgegeben und deren Qualität kontrolliert wird.


Public Health
Unschädlicher Drogenkonsum wird aus der Sicht des öffentlichen Gesundheitswesens akzeptiert. Die Erziehung zur Selbstverantwortung führt zu einem risikoarmen Umgang mit Drogen. Der Konsum wird nicht gefördert, jedoch als gesellschaftliche Realität akzeptiert. Durch den Wegfall der prohibitionsbedingten Begleiterscheinungen will dieses Szenario die soziale Integration und die gesundheitliche Integrität der Drogenkonsumierenden verbessern. Die Möglichkeit, dass die Zahl der Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger zunimmt, wird zugunsten der Schadenminimierung in Kauf genommen. Die HlV-Prävention im Zusammenhang mit Drogenkonsum ist hier optimal gewährleistet.


Recht
Dieses Szenario lehnt sich an die Volksinitiative »Für eine vernünftige Drogenpolitik Tabula rasa mit der Drogenmafia« an. Dem diesem Szenario zugrundeliegenden staatlich kontrollierten Betäubungsmittelzugang stehen das geltende Betäubungsmittelgesetz und die UNO-Übereinkommen zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs entgegen. Sodann setzt dieses Szenario eine intensive staatliche Reglementierung und Kontrolle voraus. Ferner entstehen Unvereinbarkeiten mit der Heilmittelgesetzgebung (Rezeptpflicht für Betäubungsmittel, wenn sie medizinischem Gebrauch dienen; keine Rezeptpflicht bei nichtmedizinischem Gebrauch).

Konkret bedeutet dies im wesentlichen folgendes: Dieses Szenario ist nicht vereinbar mit der Einhaltung der in den UNO-Übereinkommen von 1961, 1971, 1972 und 1988 enthaltenen Grundsätze. Die Schweiz müsste alle Übereinkommen, denen sie beigetreten ist, kündigen bzw. könnte diesen nicht beitreten. Die Folgen einer Kündigung auf die Aussenpolitik sind nicht abschätzbar. Sie hätte in jedem Fall eine noch grössere Isolation der Schweiz zur Folge. Ebenso müsste das Betäubungsmittelgesetz von Grund auf neu konzipiert werden.


Ökonomie
Im Bereich Prävention ist mit höheren, im Betreuungs- und Therapieangebot sogar mit erheblich höheren Kosten zu rechnen. Während die Kosten, die durch den Drogenkonsum an sich anfallen, sich kaum verändern, werden die verbotsbedingten Kosten kaum mehr eine Rolle spielen. Zudem werden die materiellen und immateriellen Schäden, die dem Schwarzmarkt zuzuschreiben sind, beseitigt. Ebenso ist davon auszugehen, dass die Morbiditäts- und Mortalitätskosten sinken. Ökonomen beurteilen in diesem Modell die Gesamtkosten als tendenziell sinkend und halten es damit für eine sinnvolle Lösungsvariante.

 

 

 

Szenario 7:   Deregulierung des Drogenhandels und -konsums (Szenario »Deregulierung«)

 

A.   Kurzbeschreibung
Dieses Szenario basiert auf einem Minimalstaatsmodell. Produktion, Handel und Konsum werden freigegeben. Der Drogenmarkt wird staatlich festgelegten Qualitätsstandards und regelmässigen Produktekontrollen unterstellt,- ähnlich dem Lebensmittelbereich heute. Der Bürger ist frei, Drogen zu konsumieren. Fall dies zu Folgekosten führt, muss er diese entweder selber tragen oder über eine Zusatzversicherung abdecken, weil sie nicht mehr zum Leistungskatalog der Grundversicherung gehören. Die Marktkräfte führen in diesem Modell zur Regulierung der Produktequalität, zur nachfrageorientierten Bereitstellung therapeutischer Massnahmen, zur Anpassung des Versicherungswesens an durch Drogenkonsum verursachte Kosten, etc. Als Modell ist dieses Szenario nur im Rahmen einer in allen Bereichen deregulierten und nicht-staatlich organisierten Gesellschaft denkbar.

 

 

B.   Elemente

Ziele / Grundwerte
Im Vordergrund stehen die Freiheit des Einzelnen, die Selbstverantwortung und das Vertrauen in die positiven Auswirkungen der freien Marktwirtschaft. Diese Elemente werden konsequenterweise auch auf den Drogenkonsum und -handel angewendet.


Prävention
Der Staat sichert durch eine Produktkontrolle die Qualität der Drogen. Im übrigen verlässt er sich auf die Eigenverantwortung der Konsumierenden sowie der Händlerinnen und Händler (z.B. bezüglich Produktewerbung) und auf die positiven Auswirkungen des freien Wettbewerbs.


Betreuung und Therapie
Die Behandlungswilligen unter den Drogenabhängigen wählen die Behandlungsart und -institution selbst. Für die Behandlung von Drogenproblemen entwickelt sich ein Netz privater Organisationen, die in Konkurrenz stehend ihre Therapie- und Behandlungsangebote laufend verbessern und differenzieren.


Niederschwellige Hilfsangebote
Die Überlebenshilfe findet im Rahmen der normalen Notfallversorgung statt. Eventuell spezialisieren sich private Organisationen auf diesen Bereich. Genau wie die Drogen selbst sind auch die zum Konsum benötigten Utensilien frei und – sofern es sich geschäftlich lohnt – jederzeit erhältlich.


Regulierung
Sie beschränkt sich auf die Produktqualität und auf Rahmenbedingungen für den Handel (z.B. bezüglich Jugendschutz).


Koordination
Staatliche Koordination ist nicht nötig. Private Akteure stehen in Konkurrenz, können sich jedoch in spezialisierten Unternehmensverbindungen zusammenschliessen. Koordination entsteht spontan dann, wenn alle an ihr beteiligten Akteure davon profitieren.


Rolle des Staates
Der Staat zieht sich aus der Drogenpolitik weitgehend zurück und überlässt den Drogenkonsum und -handel dem freien Wettbewerb. Der Staat erlässt nur minimale Rahmenbedingungen für den Markt.


Aspekte der Finanzierung
Die direkten Kosten für den Staat sind gering. Die Therapiekosten werden von den Betroffenen selbst getragen oder von ihrer Zusatzversicherung übernommen.

 

 

C.   Konsequenzen bei Anwendung des Szenarios in der Schweiz

Prävention
Der Staat zieht sich aus der Prävention zurück. Denkbar ist ein Ersatz durch das Engagement privater Institutionen.


Therapie
Drogenabhängigkeit wird wie jede andere Krankheit behandelt. Die Kosten müssen jedoch von den Abhängigen selbst oder von ihrer Zusatzversicherung übernommen werden. Ist eine solche Versicherung nicht vorhanden, springt der Staat über eine auf Rückerstattung sowie auf Einbezug familiärer Ressourcen aufgebaute Sozialhilfe ein.


Repression
Reduktion auf die Durchsetzung von Qualitätsstandards sowie eventuell auf den Jugendschutz.


Niederschwellige Hilfsangebote
Sie beschränken sich auf die übliche medizinische Hilfe bei Notfällen.


Public Health
Public Health-Massnahmen beschränken sich auf Fremdgefährdungen (dissoziales Verhalten, übertragbare Krankheiten), die als Folge des Drogenkonsums eintreten können. Die Gesundheitsgefährdung des Drogenkonsums wird vom Staat nicht als besonderes Thema behandelt, sondern den privaten Verantwortlichen der Gesundheitsförderung, wie etwa den Krankenkassen, überlassen.


Recht
Die rechtlichen Konsequenzen sind ähnlich wie beim Szenario 6 mit dem Unterschied, dass kein staatliches Monopol reguliert werden muss. Konkret bedeutet dies: Das Betäubungsmittelgesetz wird aufgehoben; wesentliche Anpassungen, evtl. Aufhebung der Heilmittelgesetzgebung sind erforderlich; Unmöglichkeit eines Beitrittes der Schweiz zum Schengener Übereinkommen und zu Europol; Kündigung des Einheits-Übereinkommens von 1961, des Psychotropen-Abkommens von 1971 und des Zusatz-Protokolls von 1972 zum Einheits-Übereinkommen; Nichtbeitritt zum UNO-Übereinkommen von 1988; Erlass arbeitsrechtlicher Bestimmungen, welche Drogenkontrollen (Urinproben etc.) in besonders sensiblen Bereichen ermöglichen; Änderung der Kranken- und Unfallversicherungs-Gesetzgebung, um den Ausschluss schlechter Risiken zu ermöglichen.


Ökonomie
Alle verbotsbedingten Kosten werden bei dieser Variante hinfällig, insbesondere die Gesetzesanwendung und die Kosten, die aus dem Schwarzmarkt entstehen. Hingegen muss mit einer bestimmten Anzahl neuer Drogenkonsumentinnen und -konsumenten gerechnet werden. Kostenmässig problematisch werden externe Effekte auf individueller Ebene (Gewalttätigkeit, Gesundheitsschäden an Konsumierenden und Neugeborenen) und für die Allgemeinheit. Dieser Modellansatz wird von Ökonomen als billigste und effizienteste Lösungsvariante empfohlen.

 


Fußnoten:

  1. Siehe dazu auch vom Bundesrat am 19. Juni 1995 genehmigte Version der Botschaft zu den Volksinitiativen »Jugend ohne Drogen« und »fr eine vernnftige Drogenpolitik«, insbes. S. 38 ff. .

[zurück] [Inhalt] [vor]



Powered by Apache and Debian © 1999-2012 by Eve & Rave Webteam
webteam@eve-rave.net