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Drug-Checking -
sinnvolles Instrumentarium der Drogenhilfe?

Dipl.-Arbeit für die Prüfung zum Erwerb des Akademischen Grades Dipl.-Sozialarbeiter/- Sozialpädagoge
eingereicht von Axel Mähler


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3. 3  Das Drug-Checking-Programm von Eve & Rave (BRD)

Eve & Rave ist ein Verein von engagierten Leuten aus der Techno-Szene, die u.a. die Zielsetzung haben, die szenespezifische Drogenproblematik zu mindern. Dabei setzt der Verein der Utopie, »Abstinenz durch Strafe und Therapie« herzustellen, das Prinzip der »Eigenverantwortung« entgegen:

»Dem schwachsinnigen 'Just say no' des War on Drugs begegnet Eve & Rave mit einem pragmatischen 'Just say know'! Denn wenn man lernt, mit legalen und illegalisierten Drogen risikobewußt umzugehen, bedeutet das, daß man zu diesen Substanzen sowohl 'Ja' als auch 'Nein' sagen kann. Wenn sich jemand für eine illegalisierte Droge entscheidet, wird diese Person auch heute noch praktisch per Definition als defizitär betrachtet und kriminalisiert. Darin sieht Eve & Rave ein Hauptrisiko für Konsumenten. Eine wesentliche Präventionsstrategie des Vereins ist es deshalb, der Infantilisierung der Drogenkonsumenten ein Ende zu setzen, und sie in die Lage zu bringen, daß sie selbstverantwortlich Entscheidungen treffen und somit risikobewußt (Risikomanagement) und - vor allem auch - selbstbewußt konsumieren können (Empowerment)


Um die potentiellen Gebraucher der illegalisierten Drogen in die Lage zu versetzen, ihren Umgang hiermit »eigenverantwortlich« gestalten zu können, setzt Eve & Rave u.a. auf die simple Maßnahme einer sachlichen Aufklärung. Mit der Veröffentlichung der Partydrogenbroschüre bereitete man der »Aufklärungsprohibition« ein Ende. »In dieser heute fest etablierten und ständig aktualisierten »Partydrogenbroschüre« wird über Drogenwirkungen, potentielle Risiken sowie riskante Konsumpraktiken differenziert aufgeklärt. Gleichzeitig werden Möglichkeiten zur Risikoreduzierung beim Gebrauch der in der Szene gebrauchten Partydrogen aufgezeigt .« Als problematisch bei den gut gemeinten Aufklärungsversuchen gestaltete sich allerdings die Tatsache, daß »Gebrauchsinformationen, ja jegliche Information über die Wirkweise von Drogen, [...] völlig sinnlos [sind], wenn die GebraucherInnen nicht wissen, was eigentlich in den Pillen ist, die sie konsumieren. Jede vernünftige Drogenberatung kann nur auf gesicherten Erkenntnissen über die Zusammensetzung der angebotenen Drogen aufbauen. Es ist unerläßlich, will man nicht nur symbolisch, sondern wissenschaftlich im präventiven Bereich arbeiten, Drogen zu testen und die Analysen zu studieren .« Im Januar 1995 entschied sich deshalb der selbstorganisierte Verein Eve & Rave in Berlin das Pilotforschungsprojekt »Drug-Checking« für Substanzen durchzuführen, welche auf der Straße und in Clubs als Ecstasy-Pillen und Kapseln angeboten werden. Als besonders dringlich erschien dies auch deshalb, weil zuvor des öfteren als vertrauenswürdig eingeschätzte Personen in den Medien verbreitet hatten, daß die als Ecstasy angebotenen Tabletten häufig keinen Ecstasy-Wirkstoff, sondern zum Teil sehr problematische bzw. toxische Substanzen in Form von Streckmitteln oder Syntheseverunreinigungen enthielten. »Die Analysenergebnisse [des Drugchecking-Projekts, d. Verf.] sollten regelmäßig veröffentlicht werden, um eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für Aufklärungs-, Beratungs- und Drogenpräventionsprogramme zu schaffen. Andererseits sollte auf diese Weise den Ecstasy-Gebrauchern verdeutlicht werden, welche Risiken sie beim Konsum der bunten Pillen für ihre Gesundheit eingingen. Vor allem sollte damit die Möglichkeit geschaffen werden, vor Pillen zu warnen, die andere Inhaltsstoffe enthielten als die klassischen Ecstasy-Wirkstoffe MDMA, MDE und MBDB .« Das Angebot von Drug-Checking zielte also auch und vor allem darauf, einen Beitrag zum Verbraucherschutz, die Konsumenten illegalisierter Drogen betreffend, zu leisten, indem man in Anlehnung an das holländische Vorbild die tatsächliche Qualität der Pillen feststellen und die potentiellen User hiervon in Kenntnis setzen wollte. Darüber hinaus ging es Eve & Rave auch darum, die Auswirkungen der Veröffentlichung der Testergebnisse auf das Konsumverhalten zu ergründen. Aus diesem Grund auch blieb das Projekt zunächst auf Berlin beschränkt, da Eve & Rave hier wegen seiner Ortspräsenz und Szenenähe die Auswirkungen der an die Konsumenten weitergegebenen Testergebnisse auf deren Konsumverhalten erfassen konnte. Für die Analytik der Ecstasy-Pillen konnte die Medizinische Fakultät (Charité) der Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Gerichtliche Medizin, Abteilung für Toxikologische Chemie) gewonnen werden. Für die Untersuchung von unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Substanzen besaß dieses Institut die entsprechende Genehmigung der Bundesopiumstelle des Bundesgesundheitsamtes (heute: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Das Programm startete im Februar 1995. Ab sofort konnten hieran Interessierte - zu einem Preis von 70 DM pro Analyse - anonym ihre vermeintlichen Ecstasy-Pillen sowie auch andere Substanzen bei Eve & Rave abgeben, von wo aus die Proben an das Labor des oben benannten Instituts weitergeleitet wurden. Das Resultat der qualitativen und quantitativen Analyse konnte dann nach einem Zeitraum von ca. 5 Tagen unter der Nennung eines Codewortes abgefragt werden. Weiterhin konnten ab sofort potentielle Ecstasy-Konsumenten vor Pillen gewarnt werden, die laut Laboranalyse entweder keinen Ecstasy-Wirkstoff oder unerwünschte Rauschsubstanzen enthielten, überdosiert oder durch fehlerhafte Synthese verunreinigt waren. Dies geschah, indem Flyer (Handzettel) und Plakate mit einer »Warnung an alle Ecstasy-Gebraucher« gedruckt und in der Szene verteilt wurden. Schließlich wurden in vielen Clubs und Cafés temporäre Informations- und Beratungsstände eingerichtet, wo die »Pillen-Listen« mit den Ergebnissen der Untersuchungen eingesehen werden konnten. In den Pillenlisten sind die analysierten Pillen zwecks der Wiedererkennung genau beschrieben nach bestimmten physikalischen und morphologischen Parametern (Aufdruck, Farbe, Form, Höhe, Durchmesser, Masse). Anzumerken ist hier, daß die Veröffentlichung der Pillenlisten nicht ganz unproblematisch ist, und im Gegensatz steht zu der Praxis der beiden anderen, ebenfalls in dieser Arbeit beschriebenen, aus Holland und Hannover stammenden Drug-Checking-Modelle. Aus Sicht der DROBS Hannover macht vom präventiven Standpunkt aus »[...] nur das Outing schlechter Pillen einen Sinn - etwas anderes leistet nur der Fälschung vermeintlich guter Pillen Vorschub und produziert ein falsches Sicherheitsgefühl bei den jugendlichen Konsumenten .« Angespielt wird mit diesem Einwand gegen die Veröffentlichung von Pillenlisten auf die Tatsache, daß es auf dem Ecstasy-Schwarzmarkt immer auch viele Imitate populärer Ecstasypillen gibt, die dem Original häufig schon nach kurzer Zeit folgen und von diesem - eben weil es Imitate sind - äußerlich manchmal kaum zu unterscheiden sind, während ihr Inhalt jedoch ein ganz anderer sein kann. Leicht kann es also passieren, daß, verläßt man sich auf die Identifikation einer Pille allein anhand der Pillenliste, ein Imitat ganz anderen und evtl. gefährlichen Inhaltes irrtümlich für das in der Liste beschriebene Original gehalten wird.

Eine relative Sicherheit bei der richtigen Identifikation einer Pille ergibt sich erst aus der Kombination von Pillenlistenvergleich und Schnelltest, auf die z.B. auch die DROBS Hannover bei ihrer Art der Umsetzung von Drug-Checking zurückgreift. Bei Eve & Rave verzichtete man jedoch zunächst auf die Durchführung von Schnelltests auf Techno-Parties auf Grund der fehlenden Kooperation staatlicher Stellen und der daraus dem Verein entstehenden rechtlichen Unsicherheiten. Im Gegensatz zur DROBS Hannover war man bei Eve & Rave jedoch der Ansicht, daß die vollständige Veröffentlichung der Daten aus den Laboranalysen - d.h. auch der Daten von »guten« Pillen - pädagogisch sinnvoll sei, selbst dann, wenn der Schnelltest nicht zusätzlich angewendet wird. Denn schließlich, so die Überlegung von Eve&Rave, selbst wenn die Pillenidentifizierung allein auf einen Vergleich mit Drug-Checking-Liste beruht, steigert sich hiermit die Chance ganz erheblich, daß der Konsument seine Pille einem Testergebnis einer möglicherweise aus der gleichen Charge stammenden Pille zuordnen und so die chemische Zusammensetzung ableiten kann. Das Risiko an eine »schlechte« Pille zu geraten, kann so also auf jeden Fall vermindert werden, wenn auch keine absolute Sicherheit erreicht wird. Da man der bestehenden Gefahr einer möglichen Verwechslung von Imitaten mit Originalpillen durch entsprechende Warnhinweise auf den Pillenlisten Rechnung trug, sah man bei Eve & Rave auch den Vorwurf, man erzeuge mit der Veröffentlichung der Testergebnisse eine falsche Scheinsicherheit, als unbegründet an.

Die Warnhinweise auf den Pillenlisten waren z.B. so formuliert: »Es kann niemals mit Sicherheit gesagt werden, ob nun eine gleich aussehende Pille auch den hier aufgeführten Wirkstoff enthält, da manchmal von bestimmten Pillen schlechte Nachahmungen (Plagiate) hergestellt werden. Ähnlich aussehende Pillen enthalten oft völlig verschiedene Inhaltsstoffe. Auch kann sich die Zusammensetzung und die Dosis von Charge zu Charge verändern

 



3. 3. 1  Die Erfahrungen von Eve & Rave Berlin mit Drug-Checking

Aus der Sicht des Vereins Eve & Rave wurde das Projekt Drug-Checking - trotz seiner vor allem rechtlichen Zwängen geschuldeten, unübersehbaren Unvollkommenheit - zu einem wahren Erfolg. U.a. konnte man, nachdem man bei den verschiedenen Pillen sehr gravierende und problematische, den reinen Ecstasy-Wirkstoff betreffende Dosierungsunterschiede feststellte, diesbezüglich sinnvolle Aufklärungsarbeit leisten. Dieser und weitere Erfolge, die man mit Hilfe von Drug-Checking erzielen konnte, werden dokumentiert durch folgende Stellungnahme von Eve & Rave zu den im Rahmen des Drug-Checking-Programmes gesammelten Erfahrungen:

»Ein reales Problem war (und ist) die Dosierung der Tabletten, denn diese betrug wischen 50 und 250 mg reinen Ecstasy-Wirkstoffes. Diese an die User weitergegebene Informationen wirkten sich ausgesprochen positiv auf deren Konsumverhalten aus: Die von vielen 'Dauergebrauchern' getroffene Aussage: 'Die Pillen werden immer schlechter, darum müssen wir immer mehr einschmeißen' konnte z.B. auf diese Weise eindeutig widerlegt und diesen Usern bewußt gemacht werden, daß bei ihrem Ecstasy-Konsum ein Wirkungsabfall aufgrund von Toleranzbildung entstand. Längere Konsumpausen wurden in solchen Fällen empfohlen und auch oft eingehalten. Auf diese Weise konnte den - einem reflektierten Konsum entgegenstehenden - Legenden um die Ecstasy-Tabletten unterschiedlicher Prägung entgegengetreten, der Konsum insgesamt entmystifiziert und so auf einer rationaleren Ebene praktiziert werden. [Hervorh., d.Verf.] Die Möglichkeit des Drug-Checking stellt vor allem aber auch einen Schutz des einzelnen Konsumenten vor Überdosierung, unerwarteten Substanzen sowie Verunreinigungen dar. Insgesamt konnten so viele User erreicht und dazu motiviert werden, sich mit der dosisabhängigen Wirkung bzw. dem Risiko der einzelnen Substanzen auseinanderzusetzen. In vielen Fällen hat sie das kompetent gemacht, ihren Konsum zu reflektieren und ihn gegebenenfalls selbständig zu kontrollieren. [Hervorh., der Verf.] In der qualitativen und quantitativen Wirkstoffanalyse von Ecstasy-Tabletten und der Veröffentlichung der Testresultate ist insoweit ein unverzichtbares Präventionsinstrument zu sehen. [...] Auch wenn die Anhänger des offensichtlich gescheiterten Konzepts von Strafandrohung und Therapie bei der Interpretation und Bewertung des analytischen Datenmaterials überfordert zu sein scheinen: Die von ihnen häufig als nicht entscheidungsmündig dargestellten 'Techno-Kids' sind hochmotiviert, sich entsprechende Kompetenzen anzueignen. [Hervorh., d.Verf.] [...] Bleibt nur zu hoffen, daß die Zeiten, in der die häufig jugendlichen User zu gesundheitsgefährdenden, nicht reflektierbaren Kamikaze-Konsumpraktiken verurteilt sind, bald vorbei sind. Eines steht für uns auf Grund bisheriger Erfahrungen eindeutig fest: Durch die Ermöglichung reflektierten Konsums wird nicht mehr, sondern weniger Ecstasy konsumiert. [Hervorh., d.Verf.] «


Die Erfahrungen von Eve & Rave machen also die folgenden Vorzüge von Drug-Checking deutlich:

  1. Drug-Checking regt zu einer vertieften und selbstkritischen Reflexion des eigenen Drogenkonsums an. Hieraus erfolgt häufig eine gesundheitsförderliche und risikominimierende Änderung des Konsumverhaltens. Der Drogenkonsum wird verringert.
  2. Drug-Checking bietet dem Drogenkonsumenten einen Schutz vor gesundheitlichen Gefährdungen durch Überdosierung, unerwarteten Substanzen und Verunreinigungen.
  3. Drug-Checking stellt überhaupt erst die Voraussetzung dafür dar, daß ein kompetenter und selbstkontrollierter Drogenkonsum möglich wird, da die sonst herrschende Unkenntnis über den genauen Inhalt der Droge diesem ansonsten entgegensteht.
  4. Drug-Checking stellt einen möglichen Zugangsweg zu den Gebrauchern illegalisierter Drogen dar, die ansonsten von »klassischen« Drogenberatungsstellen gar nicht oder zu spät erreicht werden, dann nämlich, wenn »das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist«.
  5. Mit Hilfe von Drug-Checking lassen sich die den Anspruch einer rationalen, wissenschaftlich fundierten Aufklärungsarbeit kontraproduktiv beeinflussenden Drogenmythen und Legenden überwinden und widerlegen.


Die Erfahrung von Eve & Rave, daß durch die Veröffentlichung der Testresultate ein zunehmend reflektierter Ecstasykonsum einsetzte, veranlaßte die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH), die Testresultate als wichtiges Präventionsinstrument für die Partydrogen-Szene aufzugreifen und zu ihrer Verbreitung beizutragen. Seit dem 24.07.1996 verschickte die Deutsche Aids-Hilfe e.V. daher an alle 185 Aids-Hilfen in Deutschland die Drug-Checking-Listen. Von nun an konnte in jeder Aids-Hilfe die jeweils neueste Drug-Checking-Liste eingesehen werden.

 


3. 3. 2  Zur Kriminalisierung des Drug-Checking-Programms von Eve & Rave Berlin

In der Zwischenzeit erstattete das Landeskriminalamt in Berlin von Amts wegen Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des unbefugten Besitzes von Betäubungsmitteln. Anlaß für die Strafanzeige war der Artikel »Ecstasy - der erste Tote in Berlin« in der Berliner Morgenpost, in dem der Vorsitzende des Vereins Eve & Rave bekanntgab, daß Konsumenten für 70 DM ihre Tabletten zur Güte-Analyse beim Verein abgeben könnten. Das in Gang gesetzte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG richtete sich zunächst gegen unbekannt. Zwecks der Identifizierung der namentlich noch unbekannten Beschuldigten, wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Vereinsräume am 21.3.1996 richterlich angeordnet. Die Durchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen erfolgte dann am 16.7.1996. Weiter kam es am 30.9.1996 zur Durchsuchung des Gerichtsmedizinischen Instituts der Charité, sowie zur dortigen Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen der über Eve & Rave vermittelten Untersuchungen. Das Gerichtsmedizinische Institut teilte dem Verein Eve & Rave mit Schreiben vom selbigen Tag mit, daß weitere Untersuchungen erst nach einer eindeutigen rechtlichen Klärung der Situation möglich seien. Hans Cousto kommentiert diese Entwicklung so:

»Dieses Pilotprojekt, bei dem in einer ersten Phase 500 Proben vor allem für die Zwecke der Wissenschaft und Forschung analysiert werden sollten, mußte aufgrund einer Anzeige und den darauf folgenden Aktivitäten von Polizei und Justiz nach der Analyse von gut 150 Proben leider eingestellt werden. Die Chancen, die wahren Risikorealitäten des Ecstasy-Konsums, der sich mittlerweile zum Massenphänomen entwickelt hat, auszuloten, wurden damit vertan. Dadurch wurde nicht nur der Wissensstand in Sachen Drogenkonsum am Standort Deutschland stark beeinträchtigt, sondern zugleich auch ein hochwirksames Instrumentarium, das dem Kontakt zu den Konsumenten und zur Szene im allgemeinen außerordentlich förderlich war, zerstört


Der Verein Eve & Rave sieht in der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung des Gerichtsmedizinischen Instituts der Berliner Humboldt-Universität den Versuch, das Drug-Checking-Programm durch ungerechtfertigte Kriminalisierung zu stoppen. In der Presseerklärung vom 5.10.1996 bezieht man Stellung: »Die [...] Maßnahme ist ein [...] Versuch, Strafrecht politisch zu mißbrauchen, um in der nicht nur deutschen, sondern auch Techno-Hauptstadt die erfolgreiche und innovative Arbeit von 'Eve & Rave' nicht nur zu diskreditieren, sondern auch realitäts- und sachgerechte Informationen systematisch zu verhindern. Dabei wird der sowohl international (Niederlande) als auch schon in anderen deutschen Großstädten längst vollzogene Paradigmenwechsel in der Drogenprävention hin zur Entwicklung von einem risikobewußten Umgang mit illegalisierten Substanzen geleugnet. Dafür nehmen konservative Berliner Drogenpolitiker ebenso wie ihre »Kollegen« im Bonner Gesundheitsministerium und der Drogenbeauftragte der Bundesregierung (Lintner, CSU) denn auch wissentlich die Gefahr von Verelendung und Gesundheitsschädigungen bis hin zu Lebensgefährdungen in Kauf

Die Deutsche Aids-Hilfe e.V. teilte damals die Auffassung von Eve & Rave. In einer Pressemitteilung vom 9.10.1996 kritisierte man ebenfalls die staatsanwaltschaftliche Durchsuchung des Gerichtsmedizinischen Instituts der Berliner Humboldt-Universität. Wörtlich heißt es dort:

»Die Einschüchterungspolitik des Berliner Senats gegenüber Eve & Rave hat mit dieser willkürlichen Durchsuchungsaktion eine neue Phase erreicht. [...]Die Bundeshauptstadt ignoriert auch die innovativen drogenpolitischen Ansätze deutscher Städte wie z.B. Frankfurt/Main, die darauf abzielen, konsumentschlossene Jugendliche zu einem bewußten Umgang mit den Risiken des Drogenkonsums zu befähigen. [...]) Die Präventionsstrategie von Eve & Rave hat das Ziel, Jugendlichen die Risiken des Konsums illegalisierter Drogen bewußt zu machen und ihnen Strategien zu vermitteln, wie sie möglichst ohne Schäden durch diese Lebensphase kommen. Drug-Checking, mit dem die Risiken eines Schwarzmarktes in Form von unkontrollierten Zusammensetzungen und schädlichen Beimengungen verringert werden können, gehört als zentrales Element dazu


Die Auswertung der bei den Durchsuchungen beschlagnahmten Unterlagen ermöglichte, daß das Ermittlungsverfahren nunmehr namentlich gegen drei Vereinsmitglieder weitergeführt werden konnte. Ihnen wurde illegaler Besitz von Betäubungsmitteln vorgeworfen, weil sie angeblich die Untersuchungsproben zur Charité brachten. Schließlich, ca. zehn Monate nach Abschluß der Ermittlungen beim LKA, erhob die Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin die Anklage. Den Beschuldigten wurde der illegale Besitz von BtM in 47 Fällen zur Last gelegt. Auf Antrag der Verteidigung lehnte das Amtsgericht Tiergarten jedoch aus rechtlichen Gründen die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die Staatsanwaltschaft reagierte darauf, indem sie sofortige Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluß einlegte. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei die Eröffnung des Hauptverfahrens zu unrecht abgelehnt worden. Die sofortige Beschwerde wurde allerdings am 1.3.1999 durch das Landgericht Berlin als unbegründet verworfen. Damit bestätigte das Landgericht die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen durch das Amtsgericht Tiergarten.

Die Angeschuldigten Mitglieder von Eve & Rave hatten also im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Durchführung des Drug-Checking-Programms nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Theoretisch konnte Eve & Rave Berlin somit das Drug-Checking-Programm fortführen, da durch die entsprechenden Gerichtsbeschlüsse nun Rechtssicherheit in dieser Angelegenheit besteht. Die Rechtssicherheit ergibt sich aus § 310 StPO Abs. 2, wonach eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidung nicht stattfindet. Praktisch konnte Eve & Rave das Drug-Checking-Programm jedoch bis heute deshalb nicht weiter fortführen, weil das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dem ehemals mit Eve & Rave kooperierenden Gerichtsmedizinischen Institut die Erlaubnis der Entgegennahme von Proben zur Untersuchung entzog (Ausnahmen stellen von Polizei und Behörden überbrachte Proben dar).

 


Fußnoten:
  1. Die nachfolgenden Ausführungen, den Abschnitt 2.3 »Das Drugchecking-Programm von Eve&Rave (BRD)« einschließlich aller Unterpunkte betreffend, beziehen sich auf nachfolgend aufgeführte Literatur, sofern nicht anders angegeben:
    1. J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 237-245; 287-299.
    2. H. Cousto, Vom Urkult zur Kultur, 198-213.
    3. H. Cousto, Drug-Checking, a.a.O., 133-152.
    4. H. Stöver (Hrsg.), a.a.O., 119-142 .
  2. J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 295 .
  3. J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 296 .
  4. H. Cousto, Vom Urkult zur Kultur, 231 .
  5. H. Cousto, Drug-Checking, 133 .
  6. J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 290 .
  7. Vgl. Pillenliste von Eve & Rave 1997 .
  8. J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 298f .
  9. H. Cousto, Drug-Checking, 133 .
  10. H. Cousto, Drug-Checking, 149f .
  11. H. Cousto, Drug-Checking, 151f .

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