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26 Fragen und Antworten zu Ecstasy und Drug-Checking

Kleine Anfrage zu Ecstasy
eingebracht am 3. Dezember 1999 von Hubert Hüppe (CDU/CSU)


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  1. Die Antworten zu den einzelnen Fragen

    1. Fragen 4 - 8
      Antwort vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

 

Frage 4:

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß Ecstasy (MDMA) direkte Auswirkungen auf die zentrale Temperaturregulation haben kann und somit die Überhitzungssymptome bei Konsumenten nicht nur auf mangelnde Flüssigkeitseinnahme bei intensivem Tanzen zurückzuführen sind?

Antwort (des BfArM): Zahlreiche Tierversuche zeigen einen dosis-, frequenz- und umgebungstemperaturabhängigen Effekt von MDMA auf die Temperaturregulation, der auch bei normaler Umgebungstemperatur und ausgeglichener Flüssigkeitsbilanz nachweisbar ist.

Die MDMA-Dosen, nach denen bei Ratten solche Einflüsse auf die Temperaturregulierung beobachtet werden können (4-10-15 mg/kg}, sind allerdings höher als die üblicherweise von Ecstasykonsumenten eingenommenen Dosen (1-4 mg/kg).

Colado M.I., Murray T.K., Green A.R. (1993):
5-Hat loss in rat brain following 3,4-methylenedioxymethamphetamine (MDMA), p-chlroamphetamine and
fenfluramine administration and effects of chlormethiazole and dizocilpine
British Journal of Pharmacology, 108:58-589

Daffers R.I. (1994):
Effects of ambient temperature on hyperthermia and hyperkinesis incluced
by 3,4-methylenedioxymethamphetamine (MDMA or "ecstasy") in rats
Psychopharmacology, 114: 505-508

Gordon C.J., Watkinson W.P., O'Callagan J.P., Miller D.B., (1991):
Effects of 3,4-methylenedioxymethamphetamine on autonomic thermoregulatory responses in the rat
Pharmacol. Biochem. Behav., 38: 339-344

Malberg J.E., Seiden L.S. (1998):
Small Changes in ambient temperature cause large changes in 3,4-methylenedioxymethamphetamine (MDMA)-
induced serotonin neurotoxicity and core body temperature in the rat
Journal of Neuroscience, 18(13): 5086-5094

Nash J.F., Meltzer N.Y., Gudelsky G.A. (1988):
Elevation of serum prolactin and corticisterone concentrations after administration of
3,4-methylenedioxymethamphetamine
J. Pharmacol. Exp. Ther., 245: 873-879

O’Shea E., Granados R., Esteban B., Colado M.I., Green A.R. (1998):
The relationship between the degree of neurodegeneration of rat brain 5-HAT nerve terminals
and the dose and frequency of administration of MDMA ("ecstasy")
Neuropharmacology, 37: 919-926

Untersuchungen der Wirkung von MDMA auf die Körpertemperatur beim Menschen konnten im Gegensatz zu den tierexperimentellen Untersuchungen keine signifikante Erhöhung der Körpertemperatur zeigen, wenngleich auch eine Tendenz zur Steigerung der Körpertemperatur durch MDMA in den wenigen systematischen Untersuchungen der Wirkungen von MDMA festgestellt werden konnte.

Bei der Interpretation der differenten Ergebnisse müssen sowohl die niedrigeren Dosen in den Humanuntersuchungen berücksichtigt werden, wie auch die unterschiedlichen Untersuchungsbedingungen hinsichtlich der räumlichen Nähe zu anderen Versuchsteilnehmern.

Aus tierexperimentellen Untersuchungen weiß man, daß es unter Bedingungen der Gruppentierhaltung zu einem ausgeprägteren Anstieg der Körpertemperatur bei den Versuchstieren kommt. Ähnliche Effekte konnte De Wit et al. 1997 nach Amphetamingabe bei Menschen zeigen. An Probanden, die in Gruppen getestet wurden, konnte ein stärkerer Anstieg der Körpertemperatur beobachtet werden, als unter individueller Testung.

Die Auswertung der bislang aufgetretenen Hyperthermiereaktionen spricht für eine hohe praktische Relevanz hyperthermiebegünstigender Effekte (hohe Umgebungstemperatur, Überaktivität, räumliche Nähe und - Enge zu anderen Menschen, Überdosierungen) beim Auftreten von Temperaturregulationsstörungen durch MDMA. Eine grundsätzliche Beeinträchtigung der Temperaturregulation vermittelt durch das Überangebot von Serotonin muß jedoch angenommen werden.

De Wit H., Clark M., Brauer L.H. (1997):
Effects of d-amphetamine in grouped versus isolated humans
Pharmacol. Biochem. Behav., 57: 333-340

Grob C.S., Poland R.E., Chang L., Ernst T. (1996):
Psychobiologic effects of 3,4-methylenedioxymethamphetamine in humans:
Methodological considerations and preliminary observations
Behavioural Brain Research, 73: 103-107

Mas M.,. Farré M., Torre R., Roset P.N., Ortuno J., Segura J., Cami J. (1999):
Cardiovascular and Neuroendocrine Effects and Pharmacokinetics of
3,4-methylenedioxymethamphetamine in Humans
Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 290: 136-145

Vollenweider F.X., Gamma A., Liechti M., Huber T. (1998):
Psychological and cardiovascular effects and short-term sequelae of MDMA ("ecstasy")
in MDMA-naive healthy volunteers
Neuropsychopharmacology, 19: 241-251

 

Frage 5:

Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr von Wechselwirkungen von Ecstasy (MDMA) mit anderen Wirkstoffen wie etwa Medikamenten, die gravierende Gesundheitsschädigungen oder Lebensgefahr verursachen können (J.A. Henry, I.R. Hill, Fatal Interaction between ritonavir and MDMA, Lancet Vol. 352, Number 9142)?

Antwort (des BfArM): MDMA und andere Amphetaminderivate werden über ein Leberenzymsystem (Cytochrom P450, Isoenzyme CYP2D6 und CYP3A4) verstoffwechselt. Dieses Enzymsystem ist ebenfalls für die Verstoffwechslung zahlreicher Arzneistoffe verantwortlich. Das Auftreten von Wechselwirkungen zwischen Stoffen, die über das selbe Enzymsystem abgebaut werden, ist in der Medizin ein bekanntes Phänomen.

In dem o.g. Fallbericht von Henry et al. wurde Ritonavir – ein Proteasehemmer zur Behandlung der HIV-Infektion – mit MDMA kombiniert.

Es kam zu einer fatalen Erhöhung der MDMA-Plasmaspiegel. Ritonavir ist ein Arzneistoff, der zu einer Hemmung des Isoenzyms CYP2D6 führen kann. Da das Isoenzym CYP2D6 verantwortlich ist für den Hauptstoffwechselschritt des MDMA Abbaus (Demethylenierung) erscheint die ursächliche Beteiligung des Ritonavirs an der Erhöhung der MDMA-Plasmaspiegel plausibel.

Eine weitere Veröffentlichung berichtet von einer verlängerten Wirkung von MDMA bei einem Ritonavir-behandelten Patient, für den allerdings keine MDMA-Plasmaspiegel bekannt sind (Harrington R.D. et al.).

Bei der Bewertung des in der Frage angesprochenen Falls müssen drei weitere mögliche Ursachen für die hohen MDMA-Plasmaspiegel in Betracht gezogen werden:

  1. Eine vorbestehende alkoholbedingte Leberfunktionsstörung.

  2. Ein möglicherweise vorliegender erblicher "poor metabolism": Für das am MDMA-Abbau wesentlich verantwortliche Isoenzym CYP2D6 ist ein genetischer Polymorphismus bekannt. Etwa 7% der kaukasischen Bevölkerung sind sogenannte "poor metabolizer", bei denen es theoretisch durch eingeschränkte Verstoffwechslung zu einem Anstau vorn Ecstasy und damit zu akut toxischen Nebenwirkungen kommen könnte. Die fatale Reaktion wäre also auch erklärlich durch eine erblich bedingte Verstoffwechslungsschwäche. Da nicht bekannt ist, ob der Patient ein sog. "poor metabolizer" war, ist die Ursache der tödlich verlaufenen Reaktion im nachhinein nicht mehr vollständig zu klären.

  3. Für MDMA wird eine nichtlineare Pharmakokinetik angenommen (siehe Torre R.). Das bedeutet, daß kleine zusätzliche Wirkstoffgaben (in diesem Fall eine halbe zusätzliche MDMA-Tabtette, nachdem 2 ganze Tabletten vorher ohne die gewünschte Wirkung blieben) zu verhältnismäßig großen Veränderungen des Plasmaspiegels führen.

Möglicherweise hat in dem nachgefragten Fall gerade ein Zusammentreffen mehrerer prädisponierender Faktoren zu dem fatalen Verlauf geführt.

Generell sind die Interaktionen zwischen Arzneistoffen zur Behandlung der HIV-Infektion und den verschiedenen illegalen Drogen sehr komplex und auf der schmalen Basis des derzeitigen Wissens um die Pharmakokinetik und deren beeinflussende Faktoren nicht vorherzusagen. Die gleichzeitige Einnahme kann unter Umständen gefährlich sein.

Harrington R.D., Woodward J.A., Hooton T.M., Horn J.R. (1999):
Life Threatening Interactions Between HIV-1 Protease Inhibitors and the Illicit Drugs MDMA
and garnma-Hydroxybutyrate
Arch. Intern. Med., Vol. 159: 2221-2223
Torre R., Ortuno J., Mas M., Farré M., Segura J.(1999), Lancet, Vol. 353

 

Frage 6:

Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der Studie J. Obrocki, R. Buchert, O. Väterlein et al. ("Ecstasy – long-term effects on the human central nervous system ..." British Journal of Psychiatry 1999, S. 188 ff.) zu hirnschädigenden und neurotoxischen Wirkungen von Ecstasy (MDMA) beim Menschen?

Antwort (des BfArM): Diese Studie muß im Sinne einer Pilotstudie interpretiert werden, die aufgrund der geringen Probandenzahl (sieben Ecstasykonsumenten), dem zusätzlichen Konsum anderer illegaler Drogen und der nur sehr eingeschränkt geeigneten Kontrollgruppe (Tumorpatienten) nur eine sehr vorsichtige Interpretation der erhaltenen Daten zuläßt. Eine verminderte metabolische Aktivität wurde in einigen Hirnregionen (Hippocampus, Amygdala, Brodmann Area) gezeigt, von denen durch Tierversuche bekannt ist, daß dort MDMA-bedingte Schädigungen auftreten können. Aufgrund der methodischen Einschränkungen dieser Studie kann Ecstasy nicht eindeutig als ursächlich für diese Veränderungen angesehen werden.

 

Frage 7:

Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der Studie der Psychologen Jacqui Rogers und Dave Sanders von der University of Sutherland (dpa 4: Mai 1999), die bei Ecstasykonsumenten "mega-kognitive Defizite" nachweist?

Antwort (des BfArM): Eine entsprechende Studie der genannten Autoren ist weder im medizinischen Dokumentationssystem DIMDI verfügbar, noch konnte diese Meldung von der dpa erhalten werden. Eine Beurteilung konnte daher nicht erfolgen.

Frage 8:

Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der amerikanischen Studie von K.I. Bolla, McCann und G.A. Ricaurte ("Memory impairment in abstinent MDMA ("Ecstasy") user", Neurology 51: 1532-1537, 1998), die bei bereits abstinenten MDMA-Konsumenten signifikante Beeinträchtigungen der verbalen und visuellen Gedächtnisleistung nachweist?

Antwort (des BfArM): In der o.g. Arbeit wurden dosisabhängige Störungen des visuellen und verbalen Langzeitgedächtnisses von Ecstasy-Konsumenten im Vergleich zu Kontrollprobanden gezeigt. Zudem wurde eine zu den Gedächtnisstörungen korrelierte, im Vergleich zu der Kontrollgruppe signifikante Verringerung der Werte des Serotoninmetaboliten Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA) in der cerebrospinalen Flüssigkeit gemessen. Die Bewertung der ursächlichen Beteiligung von Ecstasy an diesen Gedächtnisstörungen wird allerdings durch das retrospektive Design der Studie und das unterschiedlich intensive Drogengebrauchsmuster auch hinsichtlich anderer psychoaktiver Substanzen zwischen Kontroll- und Ecstasy-Gruppe eingeschränkt.

Da im Gegensatz zu den Einflüssen anderer Neurotransmitter auf die Gedächtnisleistung (Dopamineinfluß auf Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnisleistung des präfrontalen Kortex; Acetylcholineinfluß auf Langzeitgedächtnis) die Rolle des Neurotransmitters Serotonin noch weitgehend unerforscht ist, bietet diese Studie durch die fast ausschließliche Testung des Langzeitgedächtnisses nicht aber des Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses kaum die Möglichkeit, die aufgetretenen Schäden umfassend abzuschätzen. Weitere Limitierungen ergeben sich aus der kleinen Fallzahl sowie der oben angesprochenen ungleichen Drogengebrauchsmuster hinsichtlich anderer psychotroper Substanzen.

Diese Arbeit liefert erste plausible Hinweise auf Ecstasy-induzierte Störungen des Langzeitgedächtnisses. In weiteren vorliegenden Arbeiten wurden hauptsächlich Auswirkungen von Ecstasy-Konsum auf das Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis untersucht. Abschließende Bewertungen der möglicherweise durch Ecstasy-induzierten Störungen erfordern die Testung möglichst umfassender kognitiver Testbatterien an einer größeren Zahl von Ecstasy--Konsumenten, die sich hinsichtlich möglicher konfundierender Variablen (Bildung, Umgebungseinflüsse, Drogengebrauchsmuster) möglichst wenig von der gewählten Kontrollgruppe unterscheiden. Wünschenswert sind Langzeituntersuchungen, um dauerhafte Schäden von vorübergehenden Funktionseinbußen abgrenzen zu können.


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