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Drug-Checking-Konzept

für die Bundesrepublik Deutschland
erarbeitet vom techno-netzwerk berlin
für das Bundesministerium für Gesundheit


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Drug-Checking-Konzept für die Bundesrepublik Deutschland
Konzeptioneller Vorschlag zur Organisation von Drug-Checking
Eine Diskussionsgrundlage

 

  1. Fazit

Obwohl die Politik seit Jahrzehnten mittels Betäubungsmittelgesetz und polizeilicher Verfolgung von Herstellern, Dealern und Gebrauchern illegalisierter Substanzen versuchte, Drogen im bundesdeutschen Hoheitsgebiet zu bekämpfen, muß festgestellt werden, daß das Ziel bundesdeutscher Drogenpolitik, Drogenkonsum zu unterbinden, bis heute nicht erreicht wurde. Horrorszenarien in den Medien, hohe kostenintensive Polizeieinsätze und harte Gerichtsurteile konnten weder den bundesdeutschen Drogenschwarzmarkt vernichten noch das Interesse und die Neugierde in Bezug auf Drogen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen merklich mindern. Allerdings blieben in dem dichten Netz zwischen Justiz und Strafverfolgung zahlreiche Menschen auf der Strecke. Sie wurden kriminalisiert, verloren ihre sozialen Bezüge, gerieten ins gesellschaftliche Abseits und häufig ins Elend, weil der Schwerpunkt der Drogenpolitik nicht auf den Schutz der Gesundheit der Bürger, sondern auf die Verfolgung und Bestrafung jener, die mit Drogen umgingen und -gehen gelegt wurde. Neben den altbekannten Substanzen drängen seit Jahren neue synthetisch hergestellte Drogen auf den Schwarzmarkt, der munter weiterboomt – allen Versuchen ihn auszumerzen zum Trotz.

Inzwischen haben verschiedene Organisationen im weiten Drogenarbeitsbereich realisieren müssen, daß mit dieser normativ prohibitiven Einstellung des Staates weder ein Schwarzmarkt einzudämmen, noch eine angemessene gesundheitliche Vorsorge für betroffene Personengruppen zu leisten ist. Der Schwarzmarkt existiert, die Nachfrage nach Drogen ist vorhanden und wird befriedigt. Wie dargelegt wurde, kann prohibitive Drogenpolitik zwar nicht Erwerb und Gebrauch von Drogen, wohl aber eine Qualitätskontrolle der verbotenen Substanzen verhindern, und nimmt billigend die daraus resultierenden Gesundheitsgefährdungen für die Konsumenten in Kauf. Szeneorganisationen und szenenahe Organisationen kommen zu der Erkenntnis, daß der staatlich diktierte drogenabstinente Ansatz von ihrer Klientel abgelehnt wird, unter denen es mehrheitlich Menschen gibt, die positive Erfahrungen im Gebrauch illegalisierter Substanzen haben und fordern, in ihrer Drogenmündigkeit ernst genommen zu werden.

Zukünftige Interventionsstrategien im Bereich der Drogenarbeit werden sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie in der Lage sein werden, den Gebrauchern psychoaktiver Substanzen sachliche Informationen, glaubwürdige Beratung und sinnvolle Hilfsangebote zu offerieren. Der Schwerpunkt der drogenpolitischen Arbeit muß in der Förderung von Strukturen liegen, die es der praktischen Drogenarbeit erlauben, die Minimierung gesundheitlicher Risiken und die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten für Drogengebraucher in den Mittelpunkt ihres Arbeitens zu stellen, will sie nicht den letzten Rest von Glaubwürdigkeit verlieren, indem sie weiterhin den angestellten Normwächter spielt.

Es ist der Gesichtspunkt der Gesundheitsfürsorge, der die ersten Modellversuche des Drug-Checking intendierte, weil aus der Einsicht, daß Drogengebrauch nicht zu verhindern ist, die logische Folgerung erwuchs, im Sinne einer "harm reduction" durch Information und Aufklärung auf einen reflektierten Gebrauch hinzuwirken bzw. durch Analyse der illegalisierten Substanzen, Erkenntnisse über die Qualität der Schwarzmarktprodukte zu gewinnen. In diesem Sinne hat die pragmatische Haltung unserer niederländischen Nachbarn, die wieder einmal in der Drogenpolitik Vorreiter- und Vorbildfunktion übernahmen, eine längere Tradition: Toleranz und gesundheitliche Vorsorge werden höher bewertet, als Repression und strafverfolgende Maßnahmen. Aber auch die Schweiz, die jahrelang dem weltweit vorherrschenden Weg der restriktiven Drogenpolitik folgte, ist inzwischen aus der dogmatischen Front ausgeschert und entwickelt Ansätze einer subjektbezogenen, gesundheitsorientierten Drogenpolitik, die die psychische und körperliche Unversehrtheit der Menschen höher achtet, als ihre Reglementierung und Bestrafung. Doch nicht nur dort, sondern auch in Deutschland, wo staatlicherseits noch immer gilt, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, gibt es immerhin Menschen, wie die Bremer Gesundheitssenatorin, die bei der Abwägung zwischen der strikten Umsetzung des Drogengesetzes und der potentiellen Lebensgefahr von Heroin-Usern einerseits und der Strafaussetzung und des Angebots von Drug-Checking für diese User andererseits, dem Schutz von Leib und Leben der betroffenen Menschen den Vorzug gab.

Deutlich wird aus den vorgestellten Drug-Checking-Modellen und den Erfahrungen unserer szenebezogenen Arbeit, daß eine vernunftbetonte und vertrauensbildende akzeptierende Drogenpolitik sich auf folgende Punkte aufbauen muß:

  1. Seriöse, einerseits wissenschaftlich fundierte, anderseits erfahrungsorientierte Informationsvermittlung, die die Drogengebraucher in ihren Fragestellungen ernst nimmt.

  2. Akzeptanz des Bedürfnisses von Menschen nach Rausch und Ekstase durch psychoaktive Substanzen (hedonistisches Induktionsmodell) und der Tatsache, daß es positive Drogenerfahrungen gibt.

  3. Ausdrückliche Entkriminalisierung und Entpathologisierung von Drogengebrauchern.

  4. Förderung der Eigenverantwortlichkeit und der Fähigkeit zum Risikomanagement der Drogengebraucher.

  5. Unterstützung und Förderung der aus den Szenekulturen hervorgegangenen und in ihnen verankerten soziokulturellen Netzwerken.

Betrachtet man nun die dargestellten Modelle in diesem Zusammenhang, dann zeigt sich, daß Drug-Checking im Sinne der Definition von Eve & Rave durchaus in der Lage ist, einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsfürsorge zu leisten, weil die Analyse der illegalisierten Substanzen eine deutlich qualitätsverbessernde Auswirkung auf die Produkte des Schwarzmarktes hat, ferner weil durch die Informations- und Beratungsgespräche das Risikobewußtsein der Drogengebraucher geschärft und ihre Sachkenntnis gefördert wird, und weil durch die Veröffentlichung der Analyseresultate gefährliche Produkte auf dem Schwarzmarkt geächtet werden.

Fragwürdig ist allerdings die Praxis von ChEck it!, die unter dem Vorwand des Drug-Checking lediglich einen Erkenntnisgewinn über die Mitglieder der Technoszene intendierte. Der Besuch von fünf Techno-Veranstaltungen in zwei Jahren läßt keine kontinuierlicher Arbeit erkennen und verbietet dieses Modell in ein Konzept eines Gesundheitsschutzes für illegalisierte Substanzen konsumierende Personen einzuordnen.

Gleichsam zweifelhaft beurteilen wir den Ansatz von Contact Bern, die mit dem Drug-Checking den Nachweis der schlechten Drogenqualität führen wollen, um damit Einfluß auf den illegalisierten Drogenmarkt zu nehmen. Durch die Nichtveröffentlichung der Analyseresultate zeigt sich aber, daß dieser Vorsatz nur nachlässig umgesetzt wird.

Gutgemeint ist sicherlich das Modell der DROBS Hannover. Es bleibt jedoch wegen fehlender Laboranalysen und der restriktiven Informationsübermittlung an die Drogengebraucher in den Ansätzen stecken.

Das niederländische Modell weist bisher nur ein wesentliches Manko auf, das in der Nicht-Publizierung der ermittelten Testergebnisse besteht (fehlende Transparenz). Momentan scheint diesbezüglich ein Umdenken stattzufinden und es besteht die Absicht die Analyseresultate in Zukunft zu veröffentlichen. Damit begeben sich unsere niederländischen Nachbarn auch in diesem Punkt auf das praktizierte Niveau der Szeneorganisationen wie Eve & Rave bzw. szenenahen Organisationen wie ZAGJP in Deutschland bzw. der Schweiz, die kontinuierlich, szenebezogen und problemorientiert ihre Modelle aus der Praxis entwickelt haben.

Vergleichbar mit der Entwicklung der aus dem Zusammenschluß betroffener HIV-positiver Menschen hervorgegangen AIDS-Hilfen haben hier ebenfalls Betroffene (=Drogengebraucher) zum Zweck des eigenverantwortlichen Problemmanagements Strukturen eines solidarischen sozialen Netzes entwickelt. Somit entstanden Verbünde von Drogengebrauchern, die nicht den Gebrauch psychoaktiver Substanzen als krankhaft definierten, sondern den sozial und kulturell eingebundenen Drogenkonsum akzeptierten. In diese soziale Systeme eingebettet, können Menschen unter geringen Risiken Erfahrungen mit Rausch und Ekstase sammeln, ohne den Bezug zu ihrer Alltagswelt zu verlieren.

Nicht verwunderlich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß staatlicherseits nicht nur versäumt wurde, hier eigenverantwortlich handelnde, mündige Bürger in ihrem Tun zu unterstützen, sondern alles versucht wurde, um ihre Tätigkeit, die inzwischen auch in Fachkreisen große Anerkennung gefunden hat, zu torpedieren. Glücklicherweise gelang es aufgrund des gesellschaftlich veränderten Verständnisses des Drogenbegriffes und der rasant ansteigenden Zahl der Szenemitglieder und Sympathisanten den staatlichen Institutionen nicht, die Selbstorganisation in ihrer Arbeit massiv zu behindern oder gar zu zerschlagen, die einzelnen Mitglieder zu isolieren und ins gesellschaftliche Abseits zu drängen, wie es anläßlich der ersten "Drogenwelle" in den 70iger und 80iger Jahren geschehen ist.

Eingebunden sind diese Drug-Checking-Modelle in einen Kontext des gesellschaftlichen Wandels, in dem sich die Bewertung von Drogen ebenfalls verändert hat. Nur ein Ignorant kann heute noch behaupten, Haschisch wäre eine "Einstiegsdroge" oder der Konsum von Ecstasy führe zu einer gesellschaftlichen Desintegration. Die Horrorszenarien, die der ehemalige Bundesdrogenbeauftragte der ehemaligen Bundesregierung in der Boulevardpresse zu "Liquid Ecstasy" beschrie, führten in der Szene zu einer deutlich gesteigerten Nachfrage nach eben dieser Substanz. Damit zeigt sich, daß die Abschreckungsmechanismen nicht mehr funktionieren, und daß sich immer mehr Menschen auch in Bezug auf die Entscheidung für Rausch und Ekstase nicht bevormunden lassen wollen.

Die verantwortlichen staatlichen Organe in dieser eindeutig hedonistisch orientierten "Freizeitgesellschaft" stehen nun vor der Entscheidung, ob sie weiterhin durch repressive Instrumentarien und gezielte Fehlinformationen die gesundheitlichen Gefährdungen von Drogengebrauchern verantworten wollen, oder ob sie den Menschen durch pragmatisch an den jeweiligen Lebenswelten ausgerichtete Maßnahmen und wissenschaftliche Sachinformationen ein Rüstzeug zum überlegtem Umgang mit psychoaktiven Substanzen in die Hand geben wollen.

Wie ebenfalls ausgeführt wurde, sind im Umgang mit Drogen durchaus ernstzunehmende Risiken und Gefahren vorhanden, die weder schöngeredet noch geleugnet werden sollen. Diese Gefahren sind jedoch nicht allein auf die Substanz zurückzuführen, sondern stehen im Zusammenhang der dargestellten Trias von Drug, Set und Setting, d.h. dem Wechselspiel zwischen psychoaktiver Substanz, psychoemotionaler Befindlichkeit und soziokulturellem Umfeld. Daraus folgt, daß Drogen eingebettet in einen kulturellen und sozialen Rahmen durchaus gesellschaftsverträglich sein können, wie dies in unserer Kultur beim Umgang mit Alkohol zum Teil der Fall ist. Es soll damit nicht geleugnet werden, daß auch zum Zwecke der Kompensation, induziert durch unbewältigte individuelle Problemsituationen, Drogen konsumiert werden, doch ist dies keinesfalls die Regel und legitimiert nicht den Versuch der zwanghaften Pathologisierung der Drogengebraucher durch die Gesellschaft.

Ferner kann man nicht darüber hinwegsehen, daß allen Warnungen und Gefahren zum Trotz, immer mehr Menschen illegalisierte Substanzen ausprobiert haben und ausprobieren, wobei die Anzahl dieser Menschen von Jahr zu Jahr steigt. Nachweisbar ist, daß viele Jugendliche und junge Erwachsene eine experimentelle Phase durchleben, in der sie auch mit Rauschmitteln Erfahrungen sammeln wollen. Für die meisten ist dieses Entwicklungsstadium irgendwann abgeschlossen und sie stellen den Konsum ein bzw. reduzieren ihn deutlich. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, daß sie sozial und emotional begleitet und in eine Gemeinschaft eingebettet sind und daß man mit ihnen in einen sachbezogenen Erfahrungsaustausch eintritt und damit einen Lernprozeß über das Zusammenwirken von Drogen, Umwelt und eigener emotionaler Befindlichkeit einleitet. Ein moralisch erhobener Zeigefinger hat in dieser Sturm- und Drangphase eine kontraproduktive Wirkung. Sinnvoller ist es, den Menschen bei der Entwicklung des eigenen Risikobewußtseins zu unterstützen, ihn in seiner Eigenverantwortlichkeit zu stärken und seine Drogenmündigkeit zu fördern.

Eben diese Aufgaben werden von den genannten Szeneorganisationen angemessen wahrgenommen. Das Ergebnis dieser kontinuierlichen Arbeit ist ein kritisches und reflektiertes Drogenbewußtsein, das häufig in einer Reduzierung des Drogenkonsums seinen Ausdruck findet, obwohl dieser nicht nahegelegt oder vorgeschrieben wird. Die von Eve & Rave bzw. ZAGJP vorgelegte Basisarbeit zeigt aber auch, warum viele etablierte Drogenberatungsstellen hier versagen. Eingeengt durch die restriktiven Vorgaben der meist staatlichen Auftraggeber und ihre, durch den klassischen Suchtbegriff geprägten prohibitiven Zielsetzung, bleiben sie oft den Bedürfnissen und Fragestellungen der jungen Menschen fern und genießen nicht die Akzeptanz, die zum Beispiel die Szeneorganisationen vorweisen können. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter der etablierten Drogenberatungsstellen häufig gezwungen, gezielt die Angst vor Drogen zu schüren, um in Zeiten knapper finanzieller Mittel, den Bestand des eigenen Arbeitsplatzes zu sichern. Erst die Fähigkeit, den prohibitiven Denkansatz im Hinblick auf den Drogenkonsum zu hinterfragen, qualifiziert Drogenberater als glaubwürdige (und somit auch ernst genommene) Ansprechpartner einer drogenakzeptierenden Klientel.

Moderne Drogenarbeit, will sie als kompetentes Instrumentarium wahrgenommen werden, muß lernen, auf die Bedürfnisse der Klientel in unvoreingenommener Weise zu reagieren und den Ratsuchenden als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren. In diesem Sinne darf sie nicht Wegweiser der prohibitiven Denkrichtung sein, sondern soll dem Fragesteller lediglich als Katalysator bei der Artikulation der eigenen Problematik und Entwicklung von Problemlösungen dienen.

Auch die Vermittlung von präventiven Botschaften muß sowohl stilistisch und sprachlich, als auch in der Wahl der Medien den jeweils aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten angepaßt werden, wenn sie von Drogengebrauchern akzeptiert werden soll. Für die Technoszene zeigt sich dies exemplarisch in der starken Nachfrage der Eve & Rave Flyer und dem Zugriff auf die Eve & Rave eigenen Internetseiten, die sich zu einem Informationsforum entwickelt hat, von dem Drogengebraucher nicht nur Informationen abrufen, sondern auch eigene Erfahrungen und Kenntnisse hinterlassen.

Abschließend muß festgestellt werden, daß in dieser Arbeit vornehmlich auf die Erfahrungen und Kenntnisse aus der Technoszene Bezug genommen wurde. Ein Drug-Checking allein für diese Szene ist jedoch fragwürdig, weil es eine Ausgrenzung von Gebrauchern psychoaktiver Substanzen anderer Szenen oder Subkulturen bedeutet, für die sich das Instrument Drug-Checking ebenfalls hilfreich und im Extremfall sogar lebensrettend auswirken könnte. Es darf nicht vergessen werden, daß die durch die verfehlte Drogenpolitik der Vergangenheit in Verelendung und Kriminalität getriebenen Opfer weiterhin am Rande dieser Gesellschaft vegetieren. Die Gesellschaft hat die Pflicht, ihre Reintegration aktiv zu betreiben – es gibt wegweisende Modelle, die aufzeigen, wie dies erreicht werden kann.

In diesem Sinne verstehen die Autoren dieses Konzeptes Drug-Checking als ein Instrument der Qualitätskontrolle sämtlicher illegalisierter Drogen. Ein nur auf den Bereich der Technoszene beschränktes, also ausschließlich auf Party-Drogen bezogenes Drug-Checking und die damit verbundene partielle Akzeptanz des Drogenkonsums in dieser Szene allein, hieße lediglich, die Drogenkonsumenten in zwei Klassen zu unterteilen: Auf der einen Seite die "guten" systemkonformen Partydrogenkonsumenten und auf der anderen Seite die "bösen" kriminellen Junkies. Gefordert wird eine schrittweise Ablösung der bisherigen, oftmals zynischen und menschenverachtenden Drogenpolitik, hin zu einer gesundheits- und lebensweltorientierten menschlichen Drogenpolitik. Auf diesem Weg kann das nachstehend beschriebene Additions- und Integrationsmodell Drug-Checking ein neuer wichtiger Schritt sein.

 

 

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Förderung selbstorganisierter Unterstützung und Hilfe als elementares Element einer kulturellen Integration sozial bisher nicht gekannter Drogen und als wesentlicher gesundheitspolitischer Bestandteil des Drogenhilfesystems

"Ungeachtet der nachgewiesenen Potentiale der Selbstorganisation und der Selbsthilfe bei der Verminderung und Bewältigung von Drogenproblemen reduziert sich das Engagement der Gesellschaft schwerpunktmäßig darauf, professionelle Hilfestrukturen und entsprechende soziale Dienstleistungsbereiche zu schaffen. In ihrer Beziehung zu diesem professionellen Hilfesystem werden Selbstorganisation und Selbsthilfe eher als Bereiche gesehen, die mit ihrem Engagement Lücken des Systems füllen oder aber wegen ihrer vermeintlich kostengünstigeren Arbeit Aufgaben des professionellen Hilfesystems zu übernehmen haben. Infolge eines solchermaßen hierarchisch strukturierten Verhältnisses zwischen professionellem Hilfesystem, Selbstorganisation und Selbsthilfe werden Fragen der Drogenpolitik und der Entwicklung eines innovativen und bedarfsgerechten Drogenhilfesystems auf den verschiedenen Ebenen in der Regel von Fachkräften entschieden. DrogenkonsumentInnen und ihren Organisationen, die als sinnvolles Gegengewicht einem Abgleiten in behördliche Bevormundung und totale Betreuung entgegenwirken könnten, wird in den Prozessen des Aushandelns von Interessen und Unterstützungsansprüchen keine gleichberechtigte Position zugesprochen.

Der Logik dieser Form arbeitsteiliger Spezialisierung und Zuständigkeitsverteilung bei der Bearbeitung von "Versorgungsaufträgen bei Drogenproblemen" entspricht es, daß nach wie vor unverbindlich bleibt, inwieweit Selbsthilfezusammenschlüsse in ihrer Entwicklung und bei ihrer Arbeit finanziell und strukturell unterstützt werden. Folgerichtig gelingt es selbstorganisierten Zusammenschlüssen nur schwer, zu einer kontinuierlichen Arbeit zu finden.

Deutlich wird, daß das Wirksamwerden von selbstorganisiertem Engagement und Selbsthilfepotentialen in der Gesundheitsförderung von DrogenkonsumentInnen daran gebunden ist, daß sich in der politischen Haltung der Verantwortlichen im Drogenhilfesystem und in der Drogenpolitik etwas ändert. Es gilt gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Emanzipation von DrogenkonsumentInnen und deren selbstorganisierter Unterstützung einen Raum öffnen und diese in ihrer Entwicklung fördern. Genaugenommen geht es darum, durch eine Abkehr von strafrechtlicher Verfolgung die Entwicklung und Stärkung vorinstitutioneller Netzwerke zu fördern und damit neue Unterstützungspotentiale zur Verminderung von Drogenproblemen zu erschließen.

 

Die Drogenpolitik in Deutschland braucht eine neue Logik ... S 11 [Vgl. Zitat S. 61]


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