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Drogenpolitische Szenarien

Subkommission Drogenfragen der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission
Bundesamt für Gesundheitswesen,
Bern, im Juni 1996


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Anhang 2



Glossar
Dieses Glossar bezieht sich auf den Bericht »Drogenpolitische Szenarien«

 

 

Abstinenz
Enthaltsamkeit bezüglich des Gebrauchs psychoaktiver Substanzen. Abstinenz kann das Gesamt aller Substanzen oder nur einzelne, auf problematische Art und Weise konsumierte Substanzen betreffen (z.B.: jemand trinkt Alkohol und ist gleichzeitig nikotinabstinent).

 

Angebot- und Nachfragereduktion
Alle Massnahmen, welche direkt oder indirekt das Angebot an Suchtmitteln oder die Nachfrage danach zu reduzieren vermögen. Die Angebotsreduktion geschieht durch Repression und Kontrolle bezüglich der Produktion, des Transports und des Handels mit illegalen und legalen psychoaktiven Substanzen; durch Erschweren der Geldwäscherei, etc. Die Nachfragereduktion mit dem primären Ziel der Reduktion der Zahl der Neueinsteigerinnen geschieht durch ursachen- und substanzspezifische Prävention sowie durch die Steigerung der Zahl der Aussteigerinnen

 

Betreuung
Palette von Angeboten professioneller Hilfen, von Beratung über Therapie bis hin zur Reintegration (Arbeit, Wohnen) mit dem Ziel, die Betreuten als selbständig und verantwortungsbewusst Handelnde in die Gesellschaft zu integrieren.

 

Drogen
Unter Drogen sind alle psychoaktiven Substanzen zu verstehen. Diese beeinflussen u.a. Denken, Fühlen oder den Antrieb der konsumierenden Person. Zu den Drogen gehören sowohl alle nach dem Bundesgesetz über Betäubungsmittel geregelten Substanzen als auch Genussmittel wie Alkohol und Medikamente, die aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung ein Abhängigkeitspotential aufweisen.

 

Drogenabhängige
Drogenabhängige sind Personen mit einem Abhängigkeitssyndrom von psychoaktiven Substanzen. Zur Abhängigkeit gehört ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren resp. eine verminderte Kontrollfähigkeit über den Gebrauch der Substanz. Die sogenannte körperliche Abhängigkeit äussert sich in einem körperlichen Entzugsyndrom resp. im Substanzgebrauch mit dem Ziel, Entzugssymptome zu vermeiden oder zu mildern.

Zur Drogenabhängigkeit kann im weiteren der Nachweis einer Toleranz gehören. Die fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums und ein anhaltender Substanzgebrauch trotz Nachweises schädlicher Folgen werden bei Drogenabhängigen beobachtet.

 

DrogenkonsumentInnen
DrogenkonsumentInnen sind Personen, die Drogen benützen. Es gibt unterschiedliche KonsumentInnengruppen und unterschiedliche Konsummuster. Der Begriff Konsum umfasst als Oberbegriff sowohl den Gebrauch im Sinne einer kritischen und kontrollierten Verwendung von Drogen sowie den Missbrauch, bei dem ein solcher nicht vorhanden ist und schliesslich den schädlichen Gebrauch, der das Auftreten gesundheitlicher Schäden impliziert.

 

Drogentherapie
Gemeint ist hier Suchttherapie mit dem Ziel der Abstinenz oder dem Ziel eines individuell und sozial nicht mehr problematischen Konsums. Folgende Formen lassen sich unterscheiden:

  • abstinenzorientierte
    Im engeren Sinne: Ab Beginn direkt auf Abstinenz ausgerichtete und unter Abstinenzbedingungen durchgeführte Therapie. Im weiteren Sinne: Suchtbegleitende, stabilisierende oder substituierende Zwischenstufen sind möglich.
  • ambulante
    Therapie unter Beibehalten des eigenen Umfeldes und der persönlichen Selbständigkeit.
  • stationäre
    Therapie unter Aufnahme in eine Hiifseinrichtung vom Typ einer Klinik oder einer Therapiestation, die sich an Prinzipien der therapeutischen Gemeinschaft orientiert.
  • Zwangstherapie
    Eine unter anfänglicher Zuhilfenahme der Fürsorgerischen Freiheitsentiehung (FFE, Art 397a-f ZGB) durchgeführte Therapie. Siehe auch unter »Zwangs-Entzugsbehandlung«.

 

Entzugsbehandlung
Therapeutische Strategie zum sofortigen oder schrittweisen Abbau der konsumierten Droge(n).

  • Zwangsentzugbehandlung
    Unter zumindest anfänglicher Anwendung der FFE Entzug in einer geeigneten therapeutischen Einrichtung (siehe auch »Betreuung«).

 

Handel mit illegalen Suchtmitteln
Der Handel (Erwerb, Transport, Verkauf) mit illegalen Suchtmitteln ist strafbar. Bei Anwendung des Opportunitätsprinzips können die Gerichte in leichten Fällen das Verfahren einstellen oder von einer Strafe absehen.

 

Konsum
Der Konsum illegaler Suchtmittel sowie alle Vorbereitungshandlungen stehen unter Strafandrohung. Bei Anwendung des Opportunitätsprinzips können die Gerichte in Fällen blossen Konsums (ohne kumulative Delikte) Therapiemassnahmen anstelle von Strafen aussprechen (Art. 44 StGB).

 

Lebensrettende Sofortmassnahmen
Notfallmedizinische Handlungen zur Reanimation oder Stabilisierung von Atmung, Kreislauf und Gehirnfunktion der Patienten durch Beatmung, externe Herzmassage, Notfallmedikation und adäquate Lagerung. Bei Drogenabhängigen öfter notwendig nach Überdosis und nachfolgendem Atem- und/oder Kreislaufstillstand.

 

Modell
Auf Typisches und Wesentliches reduzierte Darstellung eines Sachverhaltes, welche die Erforschung und die Diskussion vereinfacht oder erst möglich macht.

 

Niedrigschwellige Angebote
Angebote im Bereich der Überlebenshilfe und der Schadensverminderung, die von Drogenabhängigen sowohl ohne hohe Eintrittsbedingungen als auch ohne hohe Anforderungen für den Verbleib in der Einrichtung benützt werden können.

 

Opportunitätsprinzip
Gestützt auf Art. 19a Abs. 2 des BG über die Betäubungsmittel (BetmG) kann der Richter in leichten Fällen das Verfahren einstellen oder von einer Strafe absehen. Es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden.

 

Prävention

  • HIV-/AIDS
    Informations-, Aufklärungs- und Therapiestrategie zur Verhütung neuer und zur Stabilisierung erfolgter HlV-lnfektionen sowie zur Förderung der Solidarität mit den HIV-Positiven und AlDS-Kranken.
  • Primär
    Richtet sich an die Gesamtbevölkerung oder an definierte Gruppen. Ihr Ziel ist die allgemeine Gesundheitsförderung und damit auch mit das Ziel, den Einstieg in den Drogenkonsum zu verhindern.
  • Sekundär
    Richtet sich an die Zielgruppe der konkret Gefährdeten mit erhöhtem Expositionsrisiko. Sie hat das Ziel, bei bereits erfolgtem Einstieg den Drogengebrauch so risikoarm wie möglich zu machen und den Ausstieg zu fördern.
  • Tertiär
    Rückfallprophylaxe und Behandlung von Rückfällen.
  • substanzorientierte
    Prävention, die sich verhaltensorientiert auf Eigenschaften und Wirkungen von Drogen konzentriert.
  • ursachenorientierte
    Prävention, die sich auf den Abbau der psychosozialen Ursachen der Drogenabhängigkeit konzentriert.

 

Prohibition
Das Verbieten und das Verhindern der Produktion, des Transports von, des Handels mit sowie des Gebrauchs von Suchtmitteln.

 

Public Health
Sozialmedizinische Strategie der ganzheitlichen Gesundheitsförderung. Sie umfasst den Aufbau, den Schutz und die Wiederherstellung seelischer, körperlicher und sozialer Gesundheit.

 

Regulierung
Kontrolle der Produktion, des Transports, des Handels und des Konsums von Drogen mit Hilfe eines staatlichen Regelwerkes.

 

Repression
Bündel von Massnahmen in den Bereichen Rechtsetzung, Strafverfolgungsbehörden und Straf-/Massnahmenvollzug. Ziel ist die Unterbindung des illegalen Herstellens, Transports, Handels und Konsums von Drogen sowie das Verhindern der illegalen, drogenspezifischen Finanztransaktionen.

 

Risikominderung, Schadensminderung
Minimieren möglichst sämtlicher Risiken im Zusammenhang mit Drogenkonsum. Gemeint sind insbesondere die HlV-Prävention, das Vermeiden von Ausgrenzung, Verelendung und Gesundheitsschädigung. Bekannt auch unter dem engl. Begriff "harm reduction".

 

Stigmatisierung
Prozess, durch den die Umwelt ein Individuum oder eine Gruppe zwingt, gewisse Eigenschaften als Kennzeichen sozialer Normabweichung zu akzeptieren.

 

Substitution
Ersetzen der ursprünglich konsumierten Substanz durch ein ärztlich verschriebenes Medikament, dessen kontrollierte Verwendung weniger Schäden hinterlässt (z.B. Methadon oral). Langfristiges Ziel der Intervention ist der Ausstieg aus der Erhaltungstherapie über den Weg einer psychosozialen Stabilisierung.

 

Sucht
Der Begriff Sucht wurde vom Begriff »Drogenabhängigkeit« abgelöst. »Sucht« beinhaltet keine Steigerung gegenüber der Abhängigkeit.

 

Suchtmittel
Suchtmittel sind Drogen, also psychoaktive Substanzen.

  • legale
    Drogen, die nach dem Betäubungsmittelgesetz nicht verboten sind.
  • illegale
    Drogen, die nach dem Betäubungsmittelgesetz verboten sind.
  • kulturfremde
    Drogen, deren Gebrauch in unserem Lande keine gefestigte, dauerhafte Tradition hat.

 

Suchtverhalten
Hierunter versteht man das Verhalten von Drogenabhängigen; im engeren Sinne geht es dabei um die Mittelbeschaffung, im weiteren Sinne auch um das gelernte Verhalten der Betroffenen.

 

Syndrom
Krankheitsbild, das sich aus dem Zusammentreffen verschiedener, gemeinsam auftretender Einzelsymtome ergibt und einen bestimmten Zustand anzeigt.

 

Szene

  • offene
    Eine sichtbare, die Öffentlichkeit durch Anblick und Emissionen belästigende bis bedrohende Ansammlung von DrogenbenützerInnen. Erleichtert die aufsuchende Sozialarbeit sowie die AlDS-Prävention.
  • verdeckte
    Eine öffentlich nicht sichtbare – weil repressiv verfolgte – Szene. Erschwert die aufsuchende Sozialarbeit, speziell die AlDS-Prävention.

 

Szenario
Gegliederter, hypothetischer Entwurf einer denkmöglichen Folge von Ereignissen, der zur Diskussion kausaler Zusammenhänge konstruiert wird.

 

Überlebenshilfe
Bündel von Massnahmen, die das unmittelbare und mittelfristige Überleben der aktiven Suchtphase Drogenabhängiger sichern sollen.

 

Verelendung, Verwahrlosung
Zustand einer Mangelerfahrung insbesondere im psychosozialen Bereich, der Hilfsbedürftigkeit signalisiert.

 

Wiedereingliederung

  • psychosoziale
    Reintegration Drogenabhängiger in die Gesellschaft durch Bereitstellen mehr oder weniger intensiv betreuter Tagesstrukturen, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten.

 

Zwangsmassnahme

  • Fürsorgerische Freiheitsentziehung (FFE)
    Vormundschaftsrechtliche (nicht ordnungspolitische) Massnahme mit fürsorgerischer Funktion (Art. 397 a-f ZGB). Kumulative Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Anwendung gegenüber Drogenabhängigen: Individuelle Indikationsstellung durch Fachleute; fachlich einwandfreie Behandlung muss gesichert sein (entspricht der gesetzlichen Forderung nach einer "geeigneten Anstalt"); der Aufbau einer langanhaltenden Therapiemotivation innert der Dauer der Freiheitsentziehung muss wahrscheinlich sein.

 


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