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Von der Opiumhöhle zur Fixerstube

100 Jahre Drogenprohibition
Eine Analyse von Hans Cousto


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Von der Opiumhöhle zur Fixerstube


100 Jahre Drogenprohibition

Zu Beginn des Jahrhunderts sorgten die Opiumhöhlen der chinesischen Einwanderer an der Westküste in den USA für Schlagzeilen in den Medien, gegen Endes des Jahrhunderts waren es die Fixerstuben in der Schweiz, in den Niederlanden und in einigen Bundesländern Deutschlands. Die Opiumhöhlen waren Anlaß für die Einführung einer restriktiven (einschränkenden) Betäubungsmittelpolitik, die Fixerstuben sind das Zeugnis des Scheiterns dieser Politik. Betroffen von der repressiven (unterdrückenden) Drogenpolitik waren jedoch nicht nur die Opiatkonsumenten, sondern mehrheitlich die Gras- und Haschischraucher (Cannabiskonsumenten). Die Entwicklung der Drogenrepression wird in diesem Artikel von den Anfängen über die explosionsartige mit Gewalt verbundenen Intensivierung zur Unterdrückung der 68er Generation bis hin in die Jetztzeit nachgezeichnet.

 

 

  1. Am Anfang war der Rassismus

    Im Jahre 1901 beschloß der amerikanische Senat eine von Henry Cabot Lodge eingebrachte Resolution, wonach amerikanischen Händlern verboten wurde, Opium und Alkohol an »Eingeborenenstämme« und unzivilisierte Rassen® zu verkaufen. Diese Bestimmung wurde später auch auf »unzivilisierte Elemente in Amerika selbst und in den amerikanischen Territorien, wie Indianern, Alasker, Hawaianer, Eisenbahnarbeiter und Immigranten in den Einwanderungshäfen« ausgedehnt und richtete sich vor allem gegen die immer größer werdende Minderheit der Chinesen, die sich vorzugsweise an der Westküste ansiedelte. Im Jahre 1909 wurde die Einfuhr von Rauchopium in die Vereinigten Staaten dann gänzlich verboten.

    Im Jahre 1911 veröffentlichte der Leiter des Büros für Rauschgiftbekämpfung von Pennsylvania, Thomas S. Blair, im Journal of the American Medical Association einen Artikel, in dem er die Peyote-Religion der Indianer als »gewohnheitsmäßigen Genuß bestimmter Kakteengewächse« charakterisierte, ihr Glaubenssystem als »Aberglauben« und die Peyote-Händler als »Rauschgift-Dealer« bezeichnete und den Kongreß zur Annahme einer Gesetzesvorlage aufforderte, die die Benutzung von Peyote unter den Indianerstämmen des Südwestens verbieten solle.

    Im Jahre 1930 wurde in den USA das Bundesamt für Narkotika (Permanent Central Narcotic Board) ins Leben gerufen. Viele seiner Mitarbeiter einschließlich des obersten Chefs, Harry Jacob Anslinger, waren ehemalige Agenten der Alkoholprohibition. Von hier aus begann die gnadenlose gesellschaftliche Diskriminierung aller Marihuanaraucher in den USA, wobei die Hetzkampagnen sich vor allem gegen Schwarze, insbesondere Jazzmusiker, Mexikaner und Indianer richtete. 1937 folgte dann eine Verschärfung der Drogengesetzgebung in den USA. Präsident Roosewelt unterzeichnete am 1. September 1937 die Marihuana Tax Act .

    In den USA wurde Cannabis als »Mörderkraut« und »Killerdroge« verfemt. Ein regelrecher Marihuanarassismus, der bis heute anhält, verbreitete sich in den USA. Anslinger berichtete im Kongreß, daß die »meisten Marihuanaraucher Neger, Mexikaner und Unterhaltungskünstler« seien. Er bezeichnete »ihre Musik, Blues, Jazz und Swing, als Folgeerscheinung des Marihuanagenusses« und behauptete, daß »diese satanische Musik und der Genuß von Marihuana weiße Frauen dazu bringe, sexuelle Beziehungen zu Negern zu wollen« .

    Unter der Drogenrepression litt vor allem die schwarze und mexikanische Bevölkerungsschicht. Ihr traditionelles Kulturgut und ihre Lebensweise wurden durch die neue Gesetzgebung stark beeinträchtigt. Nach der Abschaffung der Sklaverei kam es durch die neue Drogengesetzgebung zu einer erneuten Diskriminierung nahezu aller Bevölkerungsschichten, die nicht aus Mitteleuropa, England oder Irland eingewandert waren.

 

 

  1. Manipulierte Repression gegen Andersdenkende

    Bis Mitte der sechziger Jahre blieb Europa weitgehend von der in Amerika wütenden Drogenrepression verschont, obwohl auch die meisten europäischen Staaten in den zwanziger Jahren Betäubungsmittelgesetze in Kraft gesetzt hatten. Als jedoch »Flower-Power« zum Leitmotiv einer weltumspannenden Jugendkultur wurde und überall immer mehr Hippies sich im Freien zu Musikfestivals trafen, dort Haschisch rauchten, sich Zauberpilze, Meskalin und LSD einverleibten und so Einblicke in andere Sphären gewannen, sahen konservative Politiker die traditionellen Werte der Gesellschaft gefährdet und riefen zum gnadenlosen Kampf gegen diese neue Jugendkultur auf.

    Durch breit angelegte Kampagnen in den Massenmedien wurde die Bevölkerung mit den aberwitzigsten Horrormeldungen bezüglich einer gigantischen Drogenwelle, die auf Europa überschwappte, bombadiert, ein konkretes Wissen über Drogen ist durch diese Kampagnen jedoch kaum vermittelt worden. Die Meldungen waren häufig suggestiv konzipiert und einseitig tendenziös ausgelegt, um in demagogischer Weise die Bevölkerung zu manipulieren. Selbst absolut harmlose Haschischraucher wurden häufig als kriminelle Rauschgiftsüchtige diskreditiert. Im Juni 1972 war dann die gesellschaftliche Ausstoßungsreaktion schon so stark, daß 65% der Bevölkerung nicht einmal in der Nachbarschaft eines Rauschgiftsüchtigen wohnen wollte:


    Frage: »Noch eine Frage zum Umziehen. Es ist ja so, daß man sich seine Nachbarn nicht aussuchen kann. Und wenn man Pech hat, kommt man neben jemanden, der einem gar nicht angenehm ist. Hier auf diesen Karten stehen verschiedene Leute, die man als Nachbarn bekommen kann. Hätten sie nicht, oder etwas oder viel dagegen, wenn jemand von diesen Leuten Ihr Nachbar werden würde?«


    Dagegen hätte ich:

    viel

    etwas

    nichts

    Rauschgiftsüchtiger

    65%

    23%

    12%

    Negerfamilie

    13%

    26%

    61%

    Gastarbeiterfamilie

    11%

    36%

    53%

    Familie mit schwachsinnigem Kind

    9%

    31%

    60%

    Familie mit verkrüppeltem Kind

    3%

    14%

    83%

    Alte, gelähmte Frau

    3%

    12%

    85%


    Quelle: Noelle, Neumann 1974, S. 144

         

 

_______________________________________________________

Fußnoten:

   

1.

T. Szasz: Das Ritual der Drogen, Wien 1978, S. 231 ff.

   

2.

J. Herer: Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf Cannabis Marihuana, Hrsg.: M. Bröckers, Frankfurt am Main 1994, S. 146 ff.; vgl.: J. Tanner: Daten zur Geschichte der Betäubungsmittelgesetzgebung, in: NZZ Folio, die Zeitschrift der Neuen Zürcher Zeitung, Nr. 4 April 1992, Zürich 1992, S. 23

   

3.

Ebd.

 


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