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Pillenwarnung - Update vom 20. März 2006

Vermehrtes Auftauchen von Ecstasy-Falsifikaten


Observatoire français des drogues et des toxicomanies: Note d'information du 14 mars 2006

Pillenwarnung von Prof. Rainer Schmid, Bereich Medikamenten- und Toxikologische Analytik
Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik
Allgemeines Krankenhaus – Medizinische Universität Wien, vom 13. März 2006

von Hans Cousto, Eve & Rave Berlin

 

 

Neue Ecstasy-Falsifikate sind in letzter Zeit wieder vermehrt aufgetaucht. Es handelt sich dabei um Pillen mit dem Logo der Firma Mitsubishi, weißlich bis hellgrün mit Bruchrille wie auch in roter Farbe mit Bruchrille; um Pillen mit einem Diamant-Logo, weißlich bis hellgrün mit Bruchrille; um Pillen mit dem Logo der Firma Ferrari, weiß mit Bruchrille; um Pillen mit dem Logo der Firma Rolls Royce, weiß mit Bruchrille und um weiße Pillen mit dem Logo Triskel mit Bruchrille. Die Pillen enthalten den Wirkstoff Meta-Chlorphenylpiperazin [m-CPP]. Bunte Pillen ohne Logo mit dem gleichen Wirkstoff tauchen seit etwa einem Jahr in ganz Europa wie auch in den USA immer wieder auf. Nach dem Konsum von Pillen mit dem Wirkstoff m-CPP kommt es oft zu heftigen und unangenehmen Nebenwirkungen, wobei nur wenig eines erwünschten psychotrop wirkenden Effekts zu verspüren ist.


Vorsicht, diese Pillen enthalten m-CPP und kein MDMA


Mitsubishi

Diamant

Ferrari-Pferd

Mitsubishi

Roll's Royce

Triskel
weißlich bis
hellgrün
weißlich bis
hellgrün
weiß rot weiß weißlich, leicht
rosa gesprenkelt
mit Bruchrille mit Bruchrille mit Bruchrille mit Bruchrille mit Bruchrille mit Bruchrille

Diese Pillen wurden erstmalig im März 2006 in Wien analysiert und waren seit Januar 2006 vor allem in der Stadt Innsbruck im Tirol und in Oberösterreich wie auch in der Stadt Salzburg im Umlauf.

Diese Pillen enthalten jeweils etwa 40 mg m-CPP.
Andere Wirkstoffe wurden darin nicht gefunden.

Diese Pillen wurden im Januar 2006 in Frankreich analysiert. Sie sind weiterhin in verschiedenen Regionen in Frankreich im Umlauf und vermutlich auch im deutschsprachigen Raum.

Diese Pillen enthalten ausschließlich den Wirkstoff m-CPP (nicht quantifiziert).

 

 

Pillen mit dem Wirkstoff m-CPP, die im Jahr 2005 analysiert wurden



Arlequin, Regenbogen, Regenboogje, Smarties
Diese bunten Pillen ohne Bruchrille und ohne Logo tauchten in Frankreich erstmalig im November 2004 auf und kursierten dort in großer Zahl bis Oktober 2005. Auch in Deutschland und in der Schweiz waren diese Pillen im Frühjahr und Sommer 2005 in großer Zahl im Umlauf.

Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, November 2004,
April 2005

Solothurn, August 2005

Zürich, August 2005
No Name in beiger Färbung
Diese Pillen ohne Bruchrille in beiger Färbung tauchten erstmalig im Juli 2005 in Savoyen (Haute Savoie) in Frankreich auf. Über weitere Verbreitungsgebiete gibt es keine Hinweise.
Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, Juli 2005
Roll's Royce, leicht Pink mit dunkelroten Sprenkeln
Diese Pillen mit etwa 47 mg m-CPP und mit einer Bruchrille versehen kursierten vor allem im August 2005 in der Schweiz.
Analysen (Ort und Zeit)
Solothurn, August 2005

Zürich, August 2005
Versace, rein weiß und auch mit blauen Sprenkeln
Diese Pillen tauchten von August bis Dezember 2005 in ganz Frankreich, in Belgien und auch in Deutschland (mit blauen Sprenkeln) auf.
Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, August 2005,
September 2005,
Dezember 2005
Herzen, rosa, beidseitig gewölbt
Diese Pillen enthielten sowohl m-CPP wie auch MDMA. Es waren bisher die einzigen Pillen, die mit dieser Wirkstoffkombination analysiert wurden. Diese Pillen tauchten in Frankreich von September bis November 2005 auf.
Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, September 2005,
Oktober 2005,
November 2005
Triskel, weißlich, rosa gesprenkelt
Diese Pillen mit Bruchrille tauchten erstmalig im September 2005 in Frankreich auf. Auch aus Deutschland und aus der Schweiz wird vom Auftauchen dieser Pillen berichtet. Diese Pillen sind immer noch in großer Anzahl im Umlauf
Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, September 2005,
Dezember 2005,
Januar 2006
Lacoste, hellblau gesprenkelt, beidseitig fazettiert
Diese hellblau gesprenkelten Pillen enthielten ausschließlich den Wirkstoff m-CPP und tauchten für kurze Zeit im September 2005 in Frankreich und Belgien auf und dem Hörensagen nach auch in Nordwestdeutschland.
Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, September 2005
No Name, orange, beidseitig fazettiert
Diese Pillen ohne Bruchrille tauchten an verschiedenen Orten in Frankreich im Dezember 2005 auf.
Analysen (Ort und Zeit)
Frankreich, Dezember 2005

 

 

Meta-Chlorphenylpiperazin [m-CPP]

Meta-Chlorphenylpiperazin (m-CPP) gehört zur chemischen Gruppe der Piperazine. Die chemische Bezeichnung ist 1-(3-Chlorphenyl)piperazin.

Die Panik und Angst induzierende Wirkung von m-CPP, einem Serotoninrezeptor-Agonist, ist medizinisch gut dokumentiert. Die Substanz m-CPP ist ein Metabolit [Stoffwechselprodukt] des nichttrizyklischen Antidepressivums Trazodon (Trittico®, Desyrel®, Thombran®) und des strukturell und zum Teil auch in seiner Wirkungsweise ähnlichen Antidepressivums Nefazodon (Nefadar®, nicht mehr im Handel) und wirkt vorzugsweise als 5-HT2C-Rezeptor-Agonist (HT = Hydroxytryptamin). Diese Eigenschaft macht die Substanz m-CPP für die wissenschaftliche Forschung interessant, da der 5-HT2C-Rezeptor ein elektophysiologischer Gegenspieler des 5-HT1A-Rezeptors ist. Eine Stimulation des 5-HT2C-Rezeptors verursacht eine Abnahme der Aktivität des 5-HT1A-Rezeptors. Eine Überstimulierung (Hochregulation) des 5-HT2C-Rezeptors ist meist mit einer (z.T. äußerst heftigen) depressiven Verstimmung verbunden. Deshalb wird die Substanz m-CPP in der medizinischen Forschung zur Analyse des funktionellen Einflusses genetischer Variationen (Genotyp) auf die 5-HT2C-Rezeptorsensitivität (Phänotyp) und die Änderung der Rezeptorsensitivität aufgrund einer medikamentösen Behandlung verwendet. Ziel solcher Untersuchungen an gesunden Probanden durchzuführen ist, die m-CPP-Pharmakokinetik mit Hilfe von neuen mathematischen Modellen zu charakterisieren und in ein pharmakokinetisch-pharmakodynamisches Modell zu integrieren, das die Änderungen der Hormonkonzentration, Befindlichkeit und Verhalten in Abhängigkeit von der m-CPP-Konzentration beschreibt.

Eine Deregulierung des Wechselspiels der Funktionalität der 5-HT-Rezeptoren durch eine nicht medizinisch kontrollierte Anwendung von m-CPP kann leicht zu Depressionen, Angstzustände, psychomotorischer Unruhe sowie zur Störung der Sexualfunktionen führen. Gebraucher dieser Substanz verspüren neben der eher schwach ausgeprägten wahrnehmungsverändernden Wirkung der Substanz (Glücksgefühle und optische Veränderungen) vor allem Kopfschmerzen und fühlen sich müde und depremiert und leiden nicht selten mehrere Tage an einer lang andauernden Niedergeschlagenheit. Es wird auch von Nervosität und Schweratmigkeit berichtet und den Konsumenten wird oft übel und sie müssen nicht selten erbrechen. Häufig überwiegen jeweils die negativen und unangenehmen Nebenwirkungen im Vergleich zu den erwünschten Wirkungen, die nur bedingt und schwach zu verspüren sind.

Nach dem Konsum von m-CPP kann sich der Urin in eine rostbraune bis rötliche Farbe verfärben. Diese Verfärbung verschwindet wieder nach zwei bis drei Tagen. Wer also solche Pillen konsumiert hat, muß nicht gleich in Panik verfallen, wenn sein (ihr) Urin auf einmal nicht mehr die übliche Farbe hat. Sollte die Verfärbung jedoch länger als drei Tage andauern, dann ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen.

Da m-CPP (noch) nicht unter die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes fällt, ist zu erwarten, daß diese Substanz als Ausweichmittel (Ersatzmittel) für MDMA weiterhin produziert wird und in nächster Zeit vermehrt auf dem Schwarzmarkt auftauchen wird, insbesondere weil die Ausgangsstoffe, die man für die Synthese benötigt, relativ leicht zu bekommen sind.

 

 

Quellen:

OFDT: Note d'information du 14 mars 2006: m-chlorophénylpipérazine (mCPP), nouvelle identification (version initiale du 31 janvier 2005, 14 ème version)
http://www.drogues.gouv.fr/fr/professionnels/info_rapides_trend/info31_01_2005.html

Pillenwarnung per E-Mail von Prof. Dr. Rainer Schmid, Bereich Medikamenten- und Toxikologische Analytik Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik, Allgemeines Krankenhaus – Medizinische Universität Wien (i.A. Projekt Check it!) vom 13. März 2006.

Eine reichhaltige Dokumentation zur m-CPP-Forschung ist im Quellenverzeichnis des Artikels der drei folgenden Autoren zu finden: H. J. Gijsman, A. F. Cohen, J. M. A Van Gerven: The Application of the Principles of Clinical Drug Development to Pharmacological Challenge Tests of the Serotonergic System, in: Journal of Psychopharmacology, Vol. 18, No. 1, 7-13 (2004)
http://jop.sagepub.com/cgi/content/refs/18/1/7

 

 

Allgemeine Informationen zu Drug-Checking:

Eve & Rave Schweiz
Pillenliste für das Jahr 2005
http://www.eve-rave.ch/Forum/viewtopic.php?t=3085

Allgemeine Informationen
http://www.eve-rave.ch


Eve & Rave Berlin
Drug-Checking: Download von Drug-Checking Informationen und Ergebnissen
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download.sp?cat=1

Allgemeine Informationen
http://www.eve-rave.net

 

 

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Fußnoten:

   

1.

Die Anfragen nach der Substanz Ecstasy (ohne Anfragen nach MDMA) lauteten wie folgt: Ecstasy (64%), XTC (15%), Extasy (14%), Ectasy (2,0%), Exstasy (1,9%), Extacy (1,4%), Ecxtasy (0,7%) und Ecstacy (0,3%). Offensichtlich informieren sich zahlreiche Leute im Internet, die in Sachen Rechtschreibung mangelhafte Kenntnisse haben – aber einen Computer bedienen können und Suchmaschinen richtig benutzen können – und vor allem Drogenkompetenz erlangen wollen!



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